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Geistliches Tagebuch

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Lectio divina durch den Advent

Im Advent sind die täglichen Lesungen im Wortgottesdienst der Heiligen Messe aufeinander bezogen. Es gibt an jedem Wochentag eine Lesung aus dem Alten Testament und auf diese nimmt die Auswahl des Evangeliums Bezug. Zumeist geht es um eine prophetische Verheißung, die im Leben und Handeln Jesu ihre Erfüllung findet. So jedenfalls ist es in der Leseordnung angelegt und darin spiegelt sich ein Verständnis wider, dass wir als Verheißungs-Erfüllungs-Zusammenhang bezeichnen. Inzwischen haben aber viele Theologen erkannt, dass damit noch nicht die ganze Wahrheit erfasst ist. Es geht vielmehr um einen Dialog zwischen Altem und Neuem Testament, es ist keine Einbahnstraße. Ich möchte es so sagen: Wenn wir das Evangelium lesen, erkennen wir die zumindest anfanghafte Erfüllung der alttestamentlichen Verheißung. Aber es bleibt immer noch ein Verheißungsüberschuss bestehen. Und dieser Überschuss weist nach vorne, seine Erfüllung erwarten wir noch immer. Damit verweisen Evangelium und prophetische Verheißung auch in unsere Zeit und darüber hinaus zur Vollendung der Welt in der neuen Schöpfung.
Gerne können wir Ihnen die Impulse auch täglich per Mail schicken. Melden Sie sich dafür bitte bei sr.ursula[at]osb-os.de.


25. Dezember – Weihnachten
   
Noch sind wir erfüllt von der Verkündigung der Geburt Christi in der Nacht und sehen dieses Bild vor uns, das uns allen so tief in die Seele eingeschrieben ist. Und jetzt, am Weihnachtstag selbst, werden uns Worte geschenkt, die dieses Ereignis der Geburt in seiner tiefen Bedeutung ausloten.
 
Der Prophet Jesaja ruft uns zu jauchzendem Jubel auf, weil der HERR sein Volk getröstet und Jerusalem aus seiner Knechtschaft erlöst hat. Der HERR ist König! Schon öfters habe ich über das Bild des Königs gesprochen. Hier begegnet es uns wieder: Ja, Jesus ist der wahre König und seine Geburt wird den mächtigen Herodes mit Angst und Schrecken erfüllen. Dabei ist die Gnade Gottes erschienen, um alle Menschen zu retten – auch Herodes!
 
Die Lesung aus dem Hebräerbrief eröffnet uns einen tiefen Einblick in das Geheimnis des Sohnes Gottes: Er ist der Abglanz seiner (Gottes) Herrlichkeit, das Abbild seines Wesens. Durch ihn hat er auch die Welt erschaffen. Dieser Gedanke, dass durch den Sohn die Welt erschaffen wurde, begegnet uns auch im Evangelium und an einigen anderen Stellen im Neuen Testament. Wenn Jesus das Abbild des Wesens Gottes ist, dann können wir durch den Blick auf Jesus, durch seine Geburt, sein Leben und sein Sterben Rückschlüsse auf das Wesen Gottes ziehen. Ja, Gott ist der unendlich Erhabene, der Transzendente, aber er hat sich selbst entäußert und wurde Mensch, um uns endgültig für sich zu gewinnen.
 
Und dann hören wir den Prolog des Johannesevangeliums, diesen großen Hymnus auf das Geheimnis des Fleisch gewordenen Wortes. In dem Fall ist ausnahmsweise die Kurzfassung vorzuziehen, weil sie den ursprünglichen Hymnus ohne die Einschübe über den Täufer wiedergibt. Jeder einzelne Vers wäre es wert meditiert zu werden. Dieser Hymnus ist so unendlich reich und kann uns so tief beglücken, dass wir hier nur wenig davon berühren können.
 
Es ist wieder vom Licht die Rede, von dem wir jetzt schon mehrfach gehört haben, so auch in der Lesung in der Nacht: Das Volk, das in Finsternis ging, sah ein helles Licht. Im Prolog heißt es: In ihm (dem Wort) war Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst.
 
Sehr viel kann man über das Wort sagen, den Logos. Ich wage eine sehr persönliche Deutung. Von welchem Wort ist hier die Rede? Der Logos ist weit mehr als das, was wir unter Wort verstehen, es ist der Sinn, die Bedeutung, tragende Kraft. Wenn Gott die Liebe ist, wie wir glauben, was kann dann dieses Wort sein? Liebe ist immer konkret, sie hat immer ein „Du“, auf das es sich richtet. Liebe drückt in ihren vielfältigen Formen immer das eine aus: Ich liebe dich! Und durch dieses Wort ist die Welt geschaffen. Durch dieses Wort ist jeder Mensch ins Dasein gerufen. Und dieses Wort wird Fleisch, wird berührbar, wird Mensch in Jesus von Nazareth.
 
Knien wir nieder und beten wir dieses Mensch gewordene Wort an, das uns gilt!
 
Ich steh' an deiner Krippe hier,
o Jesu, du mein Leben;
ich komme, bring' und schenke dir,
was du mir hast gegeben.
Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn,
Herz, Seel' und Mut, nimm alles hin
und lass dir's wohl gefallen.
 
Da ich noch nicht geboren war,
da bist du mir geboren
und hast dich mir zu eigen gar,
eh’ ich dich kannt’, erkoren.
Eh’ ich durch deine Hand gemacht,
da hast du schon bei dir bedacht,
wie du mein wolltest werden.
 
Ich lag in tiefer Todesnacht,
du warest meine Sonne,
die Sonne, die mir zugebracht
Licht, Leben, Freud’ und Wonne.
O Sonne, die das werte Licht
des Glaubens in mir zugericht’,
wie schön sind deine Strahlen.
 
Ich sehe dich mit Freuden an
und kann mich nicht satt sehen;
und weil ich nun nichts weiter kann,
bleib’ ich anbetend stehen.
O dass mein Sinn ein Abgrund wär’
und meine Seel’ ein weites Meer,
dass ich dich möchte fassen.
 
 
Mit diesem Eintrag verabschiede ich mich von Ihnen und wünsche Ihnen allen ein gesegnetes und frohes Weihnachtsfest und ein behütetes Anno Domini 2021,
 
Ihre Sr. Ursula


24. Dezember, Heiligabend, Messe in der Nacht
   
Das Volk, das in Finsternis ging, sah ein helles Licht; über denen, die im Land des Todesschatten wohnten, strahlt ein Licht auf.
 
Wie tief tröstlich ist dieser Vers aus dem Propheten Jesaja! Während ich diesen Text schreibe, ist es draußen dunkel und nass. Wenn wir den Gottesdienst in der Heiligen Nacht feiern, ist es dunkel um uns. Diese Dunkelheit steht in diesem Jahr für die Sorge, die auf der ganzen Welt lastet und sie steht für die vielen unsäglich schweren Lebenssituationen, unter denen Menschen leiden. Denken wir nur an die Flüchtlinge auf Lesbos.
 
 
Und dann im Titusbrief: Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten. Das ist die große Zusage, die über der Geburt Jesu liegt. Er ist der Retter, der Friedensfürst und seine Herrschaft wird kein Ende haben. Mit der Geburt Jesu beginnt sein Lebensweg, zunächst ganz unscheinbar, dann hell leuchtend und schließlich bis zum Kreuz auf Golgotha. Seine Herrschaft wird noch nicht einmal im Tod ein Ende haben. In ihm erscheint die Gnade Gottes auf dieser Erde, um sich allen Menschen zuzuwenden und um alle Menschen zu retten.
 
Im Evangelium hören wir dann wieder Lukas, den großen Erzähler. Er entwirft vor unseren Augen ein Bild, dass sich der Seele der Menschheit tief eingeprägt hat: Ein Kind, das in Windeln gewickelt in einer Krippe liegt, Engel, die im Lichtschein singen und Hirten, die zum Stall eilen. Friede auf Erden, den Menschen seines Wohlgefallens! Ein Bild des Trostes, ein Bild, das uns jenseits aller rationalen Reflektion tief anrührt und uns für einen Augenblick ahnen lässt, wo unsere Seele ihre Zuflucht finden kann. Was kann weniger bedrohlich sein als ein neugeborenes Kind? Was bedarf mehr der Fürsorge anderer als ein hilfloser Säugling? Fürchtet euch nicht, denn siehe ich verkünde euch eine große Freude. Im Anblick des Anfangs liegt schon das Heil verborgen, das allen Menschen zuteilwerden soll.
 
Heute sollt ihr wissen, dass der Herr kommt,
und morgen werdet ihr schauen, seine Herrlichkeit.
Komm, Herr Jesus – Maranatha!


Mittwoch, der 23. Dezember
   
Heute hören wir die Stelle aus dem Buch Maleachi, über die ich schon gesprochen habe: Bevor aber der Tag des HERRN kommt, der große und furchtbare Tag, seht da sende ich zu euch den Propheten Elija. Und im Evangelium hören wir von der Geburt Johannes des Täufers. Damit stellen diejenigen, die die Leseordnung aufgestellt haben, einen klaren Zusammenhang zwischen Johannes und Elija her und vor allem verweisen sie damit darauf, dass der Tag des HERRN gekommen ist. Damit ist nicht ein bestimmter kalendarischer Tag gemeint, auch nicht die Zeitspanne von 24 Stunden. Damit ist die anbrechende Heilszeit gemeint.
 
Gestern haben wir das Magnificat gehört, das auf dem Lobgesang der Hannah aufbaut. Darin wird schon das Lob gesungen auf die Heilszeit, die mit Jesu Geburt anbricht. Er wird die Hungernden sättigen und die Erniedrigten aufrichten, die Mächtigen vom Thron stürzen und die Reichen leer wegschicken. Mit Jesus hat diese Heilszeit begonnen. Wenn wir jedoch in die Welt schauen, wissen wir auch, wie weit wir noch von der Vollendung entfernt sind.
 
Damit die Heilszeit immer mehr zur erfahrbaren Wirklichkeit wird, braucht es Menschen, von denen gesagt werden kann: Die Hand Gottes ist mit ihnen – so wie sie mit Johannes dem Täufer war. Dabei ist eines klar: Spätestens mit der Taufe haben wir alle die feste Zusage, dass die Hand Gottes mit uns ist. Gott möchte auch durch unser Leben wirken, denn die „Hand“ steht für das Wirken für das Handeln. Jesus hat Menschen in seine Nachfolge gerufen und ruft noch immer. Sind wir bereit, ihm zu folgen? Sind wir bereit, die Hungernden zu sättigen und die Erniedrigten aufzurichten? Dann können auch wir in den Lobgesang Marias einstimmen: Großes hat an mir getan der Mächtige und heilig ist sein Name.
 
Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens,
dass ich liebe, wo man hasst; dass ich verzeihe, wo man beleidigt;
dass ich verbinde, wo Streit ist;
dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist;
dass ich den Glauben bringe, wo Zweifel droht;
dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält;
dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert;
dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.
Herr, lass mich trachten, nicht, dass ich getröstet werde,
sondern dass ich tröste;
nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe;
nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.
Denn wer sich hingibt, der empfängt;
wer sich selbst vergisst, der findet;
wer verzeiht, dem wird verziehen;
und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben. Amen.


Dienstag, der 22. Dezember
   
Zwei Frauen singen ein Lob auf Gott, ihren Retter. In der Lesung aus dem ersten Buch Samuel hören wir das glückliche Ende einer unglücklichen Frau. Hannah war kinderlos und hat Gott angefleht, ihr ein Kind zu schenken, und sie empfängt den Samuel. Dann kehrt sie nach Jerusalem in den Tempel zurück, um Gott zu danken. Damit endet die Lesung, der eigentliche Lobgesang der Hannah wird uns nicht mehr vorgetragen. Der kommt dann aber im Evangelium – im Magnificat. Maria singt bei Elisabeth ihr Magnificat, ihren großen Lobgesang auf Gott, der auf die Niedrigkeit seiner Magd geschaut hat. Aber er schaut nicht nur auf die Niedrigkeit seiner Magd, sondern auch auf die Hungrigen und Armen, auf die Erniedrigten und auf die, die ihn fürchten von Geschlecht zu Geschlecht.
 
Ich möchte Ihnen sehr empfehlen, nun auch noch den Lobgesang der Hannah zu lesen. Er steht in 1 Sam 2,1-10. Inhaltlich ähneln sich diese beiden Lobgesänge sehr. Das Magnificat hat den Lobgesang der Hannah zum Vorbild.
 
Ich möchte nicht nur, aber besonders die Frauen unter uns einladen, sich diesen beiden Frauen Hannah und Maria anzuschließen und ihren eigenen Lobgesang nach ihrem Vorbild zu schreiben und zu singen. Zwischen Hannah und Maria liegen 1000 Jahre, zwischen Maria und uns noch mal 2000. Aber die Themen bleiben die gleichen!
 
Ich füge Ihnen hier den Lobgesang der Hannah ein, damit Sie ihn nicht erst noch suchen müssen. Er kann unser aller Gebet sein, so aktuell ist er:
 
1 Hanna betete. Sie sagte:
Mein Herz ist voll Freude über den HERRN, erhöht ist meine Macht durch den HERRN.
Weit öffnet sich mein Mund gegen meine Feinde; denn ich freue mich über deine Hilfe.
2 Keiner ist heilig wie der HERR; denn außer dir ist keiner; keiner ist ein Fels wie unser Gott.
3 Redet nicht immer vermessen, kein freches Wort komme aus eurem Mund;
denn der HERR ist ein wissender Gott und bei ihm werden die Taten geprüft.
4 Der Bogen der Helden wird zerbrochen, die Wankenden aber gürten sich mit Kraft.
5 Die Satten verdingen sich um Brot und die Hungrigen gibt es nicht mehr.
Die Unfruchtbare bekommt sieben Kinder und die Kinderreiche welkt dahin.
6 Der HERR macht tot und lebendig, er führt zum Totenreich hinab und führt auch herauf.
7 Der HERR macht arm und macht reich, er erniedrigt und er erhöht.
8 Den Schwachen hebt er empor aus dem Staub und erhöht den Armen, der im Schmutz liegt; er gibt ihm einen Sitz bei den Edlen, einen Ehrenplatz weist er ihm zu.
Ja, dem HERRN gehören die Pfeiler der Erde; auf sie hat er den Erdkreis gegründet.
9 Er behütet die Schritte seiner Frommen, doch die Frevler verstummen in der Finsternis; denn der Mensch ist nicht stark aus eigener Kraft.
10 Wer gegen den HERRN streitet, wird zerbrechen; über ihn lässt er es am Himmel donnern. Der HERR hält Gericht bis an die Grenzen der Erde.
Seinem König gebe er Kraft und erhöhe die Macht seines Gesalbten.
 

Montag, der 21. Dezember
   
Wir feiern heute ein Fest der Vorfreude. Maria, die in ihrem Schoß das werdende Leben trägt, eilt zu Elisabeth, die in ihrem vorgerückten Alter noch das Glück der Mutterschaft erfahren darf. Beide sind voll der Freude, der frohen Erwartung. Aber nicht nur sie, auch der kleine Johannes im Schoß der Mutter hüpft vor Freude, als er die Stimme Marias hörte. Ob Jesus sich auch gefreut hat, wird uns nicht berichtet.
 
Grund der Freude ist die Erwartung der Geburt von zwei Kindern, das ganz sicher. Aber dahinter steht noch mehr: Die Freude über das Wirken Gottes und die Begegnung mit ihm. Und Elisabeth bringt es noch anders ins Wort: Selig – was man auch mit glücklich übersetzen kann – die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ. Zwei Frauen, die aus dem Glauben an den lebendigen Gott leben, an den Gott, der ihr Volk aus Ägypten und schließlich ins verheißene Land geführt hat. Für diesen Glauben braucht es schon Mut und vor allem Vertrauen, ja letztlich besteht der Glaube im Vertrauen. Wir singen es in einem bekannten Kirchenlied: „Wer Gott, dem Allerhöchsten traut, der hat auf keinen Sand gebaut“.
 
Als erste Lesung stehen heute zwei Möglichkeiten zur Auswahl. Ich bevorzuge den Abschnitt aus dem Buch Zefanja. Hier ist – wie auch im Hohelied – von der Freude Gottes über den Menschen die Rede: Der Herr, dein Gott, ist in deiner Mitte, ein Held, der Rettung bringt. Er freut sich und jubelt über dich, er erneuert seine Liebe zu dir, er jubelt über dich und frohlockt, wie man frohlockt an einem Festtag. Die Freude Gottes an seinem Volk, das noch in der Verbannung lebt, ist der Grund der Freude der Tochter Zion.
 
Machen wir doch mal dieses Gedankenexperiment: Wir stellen uns vor, dass Gott sich so an uns freut, dass er nicht mehr an sich halten kann. Er will uns begegnen, er will uns seine Freude mitteilen – und so kommt er zu uns und wird Mensch …
 
Freu dich, und frohlocke von ganzem Herzen!!!


Vierter Adventssonntag
     
Heute begegnen wir Maria, der Mutter Jesu, die adventliche Gestalt schlechthin. Wir hören das Evangelium von der Verkündigung an Maria, das die meisten von uns vermutlich sehr gut kennen. Bei den Betrachtungen zu diesem Evangelium steht normalerweise Maria im Mittelpunkt und diese wunderbare, von Gott gewirkte Empfängnis, nachdem Maria ihr Fiat gesprochen hat.
  
Heute möchte ich Sie einladen, mal einen anderen Blickwinkel einzunehmen, den Blickwinkel eines alttestamentlich geprägten Menschen, eines Israeliten in jener Zeit. Damit erhebe ich nicht den Anspruch, etwas theologisch Unanfechtbares anzubieten!
Die Juden warteten damals voller Sehnsucht und Erwartung auf das Kommen des Messias, des Gesalbten des Herrn. Dieser Gesalbte sollte ein König sein und aus dem Geschlecht David stammen. Er sollte der sein, von dem auch die heutige Lesung aus dem zweiten Buch Samuel spricht: Gott wird den leiblichen Sohn (damit kann eben auch ein entfernter Enkel gemeint sein) Davids auf dessen Thron setzen und seinem Königtum Bestand verleihen. Diese Stelle wird dann ja auch von Lukas zitiert.
 
Bedenken wir, dass es seit der Babylonischen Gefangenschaft, also seit mehr als 500 Jahren in Israel keinen König mehr gegeben hatte! Woher sollte dieser König kommen? Am besten aus Jerusalem selbst, wo David residiert hatte, oder zumindest aus Betlehem, dem Geburtsort des Königs. Aber wohin wurde der Engel Gabriel gesandt? Nach Nazaret!!! Ein total unbekanntes Dorf im heidnisch geprägten Galiläa. Zu einem total unbekannten jungen Mädchen, das keinerlei Herkunft aufzuweisen hatte. Wenigstens war sie mit einem Mann aus dem Haus David verlobt. Da steht nichts davon, dass diese junge Frau zuvor um die Geburt eines Kindes gebetet hatte, wie es etwa bei Hannah (1 Sam 1) der Fall war. Nein, völlig unvorbereitet tritt der Engel bei ihr ein und spricht sie an: Du Begnadete … du hast bei Gott Gnade gefunden. Hier steht das Wort „Charis“. Frei übersetzt könnte man sagen: Du hast bei Gott Freude erweckt, so dass er sich dir in Liebe zuwendet. Die ganze Initiative geht von Gott aus. So wie JHWH sich einst das Volk Israel erwählt hatte, aus reiner Gnade, so erwählt er sich jetzt diese junge Frau.
 
Und jetzt wird auch noch betont, dass sie keinen Verkehr mit einem Mann hatte und dennoch schwanger werden sollte. Eine solche Empfängnis gab es nirgendwo in der Geschichte Israels. Alle diese Beobachtungen legen etwas nahe: Hier fängt Gott etwas ganz Neues an. Die Geschichte Israels geht nicht einfach auf mehr oder weniger bekannten Pfaden weiter, es bricht etwas Neues an. Ja, mit der Empfängnis Jesu durch den Heiligen Geist, beginnt eine neue Schöpfung. Das ist die zentrale Aussage, die Paulus später in seinen Briefen auch mehrfach erwähnt. In Christus seid ihr eine neue Schöpfung (vgl. 2 Kor 5,17). Mit Christus hat diese neue Schöpfung begonnen.
All diese Aussagen sind für einen Israeliten eine unglaubliche Herausforderung. Und eine solche Geburt des Messias entspricht überhaupt nicht den Erwartungen, die man hatte. Wie entscheidet sich ein gläubiger Jude der damaligen Zeit? Wird er dem Evangelium des Lukas glauben? Die gleiche Frage wird an uns gestellt: Werden wir dem Evangelium des Lukas glauben? Damit ist nicht das Sprechen eines Glaubensbekenntnisses gemeint, sondern damit ist gemeint, dass ich diese neue Schöpfung in Christus annehme und aus ihr lebe.
 
Herr, ich glaube,
hilf meinem Unglauben!


Samstag, der 19. Dezember
    
Heute hören wir zwei große Erzählungen. Zuerst die Ankündigung der Geburt des Nasiräers Simson. Ein Nasiräer war ein Gott geweihter Mensch und wie wir in der Erzählung hören, hatte er sich nicht selbst Gott geweiht, sondern Gott hat ihn von seiner Empfängnis an für sich erwählt. Seine Mutter, die hier nicht namentlich genannt wird, ist unfruchtbar. Das war in der damaligen Zeit keine Frage der Gynäkologie, sondern wurde so gedeutet, dass Gott selbst ihr den Mutterschoß verschlossen hatte. Dieses Leid, das auch mit Schande und Scham besetzt war, hatte unbedingt mit Gott zu tun. Und so sendet Gott auch seinen Engel, um die Geburt des unerwarteten Sohnes anzukündigen. Zugleich mit der von Gott geschenkten Empfängnis wird das Kind auch erwählt und berufen.
 
Ein sehr vergleichbarer Vorgang wiederholt sich bei der Empfängnis Johannes des Täufers. Nur diesmal wird die Botschaft des Engels an den Vater gerichtet. Lukas ist der große Erzähler unter den Evangelisten. Am Anfang seines Evangeliums schreibt er, dass er allen Augenzeugenberichten genau nachgehen und alles der Reihe nach aufschreiben will. Und so hält er es auch hier. Er gibt uns genaue Auskunft über Zacharias und Elisabeth, beschreibt den Dienst im Tempel genau und auch die Erscheinung des Engels Gabriel, der ja später auch noch bei Maria erscheint. Offensichtlich möchte Lukas, dass wir uns die ganze Szenerie genau vorstellen können und mit hineingenommen werden in das Geschehen. Wir können uns vorstellen, wie Zacharias am Rauchopferaltar, der unter freiem Himmel auf einem großen Platz stand, seinen Dienst tat, sicher voller Andacht und Ehrfurcht. Und dann erscheint ihm dieser Engel, der die Geburt des Sohnes ankündigt. Es geht jetzt gar nicht, um die Frage, ob oder wie sich das historisch ereignet hat. Aber setzen wir mal unsere Fantasie ein und stellen uns die Szene vor. Lukas lädt und jedenfalls dazu ein.
 
Worum geht es im Kern in diesen beiden großen Erzählungen? Es geht darum, dass Gott Menschen erwählt, und zwar von der Empfängnis an. Hier ist das exemplarisch an Simson und Johannes dargestellt. Das gilt jedoch für uns alle! Wir alle sind von der Empfängnis an von Gott erwählt, in Christus seine Töchter und Söhne zu sein. Jede und jeder von uns kann dann mit Gottes Hilfe im Laufe des Lebens seine ganz eigene Berufung suchen und finden. Das ist die wahrhaft frohe Botschaft des heutigen Tages.
 
Immerfort empfange ich mich aus deiner Hand.
Das ist meine Wahrheit und meine Freude.
Immerfort blickt mich dein Auge an,
und ich lebe aus deinem Blick,
du mein Schöpfer und mein Heil.
Lehre mich in der Stille deiner Gegenwart
das Geheimnis zu verstehen, das ich bin,
und dass ich durch dich und vor dir und für dich bin.

Romano Guardini


Freitag, der 18. Dezember
 
 
Das heutige Evangelium schließt sofort an den Stammbaum Jesu an, den wir gestern gehört haben. Dort wird Josef als Abkomme der Geschlechterfolge vorgestellt und Maria als seine Frau. In der Erzählung von der Herkunft Jesu, die Matthäus uns überliefert, steht somit auch Josef zunächst im Fokus. Auch er gehört zu den adventlichen Gestalten. Der Engel Gottes spricht im Traum zu Josef, und er glaubt dem, was er im Traum erfahren hat. Das Kind, das seine Verlobte Maria empfängt, ist vom Heiligen Geist. Dieses Kind ist ganz und gar von Gott gewirkt, es hat seinen Ursprung (seine „Genesis“ – dieses Wort wird in V 18 ungenau mit „Geburt“ übersetzt) in Gott. Josef soll diesem Kind den Namen Jesus geben und ihn somit als seinen Sohn annehmen. Übrigens ist auch der berühmte alttestamentliche Josef ein „Träumer“ (Gen 37), was sicher kein Zufall ist.
 
Danach spricht Matthäus ausdrücklich von der Erfüllung des Prophetenwortes, das sich im Buch Jesaja findet. Ich möchte hier nicht die Frage aufgreifen, ob mit der „Jungfrau“ nun eine junge Frau oder tatsächlich eine Jungfrau gemeint ist. Entscheidend ist, dass Jesus als der, der er ist, seinen Ursprung alleine in Gott hat und nur aus diesem Ursprung heraus verstanden werden kann.
 
Die Weissagung des Propheten Jesaja an König Ahas kurz vor dem babylonischen Exil, hatte historisch eine ganz andere Bedeutung als die, die Matthäus ihr hier gibt. Die Geburt Jesu, die Menschwerdung Gottes aus Maria der Jungfrau, übersteigt bei weitem die Weissagung des Jesaja. Man könnte sagen, dass sich mit der Geburt Jesu etwas ereignet, das alle Vorstellungen des Alten Testaments weit übersteigt. So hat es auch alle Vorstellungen überstiegen, die Josef haben konnte. Aber Josef lässt sich auf diese Botschaft ein, erwacht, steht auf und tut, was ihm vom Engel Gottes befohlen wurde.
 
Wir betrachten hier das einzigartige Ereignis der Geburt Jesu. Dennoch scheint mir, dass wir darin auch erkennen können, wie Gott heute in unserem Leben handeln möchte. Er spricht zu uns im Verborgenen, mag sein im Traum, mag sein in Ereignissen unseres Lebens, mag sein durch ein Wort der Schrift. Hören wir diese leise Stimme Gottes? Schenken wir ihr Gehör und können uns auf sie einlassen?
Gerade in unserer Zeit, die von Sorgen und Ängsten bedrückt ist, brauchen wir dieses leise Lauschen, das in all dem Gewirr, in der Fülle der täglichen Nachrichten, noch die Orte sucht, an denen Gottes leise Stimme unser Gehör findet – tröstend, mutmachend und herausfordernd.


Dienstag der dritten Adventswoche
   
Der Prophet Zefanja richtet sein Wort an die Stadt Jerusalem, der die Verbannung und Zerstörung droht. Er will die Bewohner der Stadt aufrütteln, damit sie sich wieder dem Herrn zuwenden. Da hören wir die Worte: Sie (die Stadt) verlässt sich nicht auf den Herrn und sucht nicht die Nähe Gottes. Sich nicht auf den Herrn zu verlassen, bedeutet, sich auf die eigene Kraft zu verlassen oder auf die fragwürdiger Unterstützer, die letztlich doch nur den Eigennutz suchen. Wenn die Mächtigen der Stadt nach Babylon verschleppt werden, dann bleibt in der Mitte der Stadt ein demütiges und armes Volk zurück und dieses Volk sucht seine Zuflucht wieder beim Namen des Herrn.
 
Wenn ich an unsere heutige kirchliche Situation denke, scheinen mir diese Worte sehr aktuell zu sein. Wenn wir den Verlauf der Kirchengeschichte in den vergangenen beiden Jahrhunderten betrachten, dann können wir sagen, dass wir auf dem besten Weg sind, ein demütiges und armes Volk zu werden. Zefanja lädt uns ein, in dieser Situation unsere Zuflucht beim Namen des Herrn zu suchen. Damit ist gemeint, dass wir uns neu ausrichten an der Weisung des Herrn, die eine Weisung für das Leben ist. Ich meine, dass dies gelingen kann, wenn wir uns mit dem Wort Gottes, mit der Person Jesu befassen, wie wir es in diesen Tagen tun. Und wir dürfen und sollen uns im Gebet an Gott wenden, ganz konkret, ganz persönlich.
 
Mir fällt ein Gedanke ein, der von Frère Roger aus Taizé stammt: „Lebe das, was du vom Evangelium verstanden hast.“ Ich denke, dass es darum geht. Jeder und jede von uns kann nur das authentisch leben, was sie von Jesus verstanden hat. Dass das auch mit inneren Widerständen verbunden sein kann, sagt uns Jesus selbst im Evangelium. Auch die Zöllner und Dirnen, die er hier lobt, sind vermutlich nicht mit fliegenden Fahnen dem Ruf zur Umkehr gefolgt. Es geht nur über den Weg der Selbsterkenntnis und zugleich der Erkenntnis der unendlichen Barmherzigkeit und Güte Gottes. Das ist dann auch wahre Demut, die den Menschen nicht verbiegt, sondern ihn in der eigenen Wahrheit gegründet auf Gott hin ausrichtet.
 
Herr, schenke mir den Mut,
meine eigene Wahrheit anzusehen,
aber lass sie mich immer im Licht deiner Barmherzigkeit sehen.
Schenke mir die Gabe der Demut
und lass mich deine Nähe suchen,
in der ich leben kann.


Montag in der dritten Adventswoche

Heute ist der Gedenktag des heiligen Johannes vom Kreuz, deshalb füge ich die laufenden Schriftstellen wieder hier ein.
 
Numeri 24,2-7.15-17a
24,2 Als Bileam aufblickte, sah er Israel im Lager, nach Stämmen geordnet. Da kam der Geist Gottes über ihn, 3 er begann mit seinem Orakelspruch und sagte: Spruch Bileams, des Sohnes Beors, Spruch des Mannes mit geöffnetem Auge, 4 Spruch dessen, der Gottesworte hört, der eine Vision des Allmächtigen sieht, der niedersinkt mit entschleierten Augen: 5 Jakob, wie schön sind deine Zelte, deine Wohnungen, Israel! 6 Wie Bachtäler ziehen sie sich hin, wie Gärten an einem Strom, wie Aloebäume, vom HERRN gepflanzt, wie Zedern am Wasser. 7 Von seinen Schöpfeimern rinnt das Wasser, reichlich Wasser hat seine Saat. Sein König möge Agag überlegen sein und seine Königsherrschaft sich erheben. 15 Und er begann mit seinem Orakelspruch und sagte: Spruch Bileams, des Sohnes Beors, Spruch des Mannes mit geöffnetem Auge, 16 Spruch dessen, der Gottesworte hört und die Kunde des Höchsten kennt, der eine Vision des Allmächtigen sieht, der niedersinkt mit entschleierten Augen: 17 Ich sehe ihn, aber nicht jetzt, ich erblicke ihn, aber nicht in der Nähe: Ein Stern geht in Jakob auf, ein Zepter erhebt sich in Israel.
 
Mt 21,23-27
23 Als er in den Tempel ging und dort lehrte, kamen die Hohepriester und die Ältesten des Volkes zu ihm und fragten: In welcher Vollmacht tust du das und wer hat dir diese Vollmacht gegeben? 24 Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Auch ich will euch eine Frage stellen. Wenn ihr mir darauf antwortet, dann werde ich euch sagen, in welcher Vollmacht ich das tue. 25 Woher stammte die Taufe des Johannes? Vom Himmel oder von den Menschen? Da überlegten sie und sagten zueinander: Wenn wir antworten: Vom Himmel!, so wird er zu uns sagen: Warum habt ihr ihm dann nicht geglaubt? 26 Wenn wir aber antworten: Von den Menschen!, dann müssen wir uns vor den Leuten fürchten; denn alle halten Johannes für einen Propheten. 27 Darum antworteten sie Jesus: Wir wissen es nicht. Da erwiderte er: Dann sage auch ich euch nicht, in welcher Vollmacht ich das tue.
Der Seher Bileam gehört auch zu den adventlichen Gestalten, auch wenn er selbst nie auf diese Idee gekommen wäre. Der Abschnitt aus der Bileamerzählung (Num 22-24), der heute gelesen wird, enthält diesen letzten Satz: Ein Stern geht in Jakob auf, ein Zepter erhebt sich in Israel. Dieser Hinweis auf den aufgehenden Stern wird natürlich mit dem Stern in Verbindung gebracht, dem die Weisen aus dem Morgenland folgen, dem Stern, der die Geburt Jesu ankündigt.
 
Im Evangelium geht es wieder um die Frage nach dem Täufer Johannes. Ich sehe aber noch einen verborgenen Zusammenhang mit dem Propheten Bileam. Dazu muss man aber die ganze Geschichte kennen. Bileam ist ein Seher in Moab, also ein visionär begabter Mann in einem der feindlichen Völker Israels. Sein König Balak gibt ihm den Auftrag Israel zu verfluchen. Bileam weigert sich aber, weil er in einer Vision etwas anderes sieht. Er macht sich dennoch auf den Weg und dann bekommt er es mit seinem Esel zu tun, der sich weigert weiterzugehen, weil ein Engel mitten auf dem Weg steht. Schließlich spricht der Esel auch noch mit Bileam. Das Ende vom Lied ist jedenfalls, dass Bileam Israel segnet, statt es zu verfluchen. Er macht also das gerade Gegenteil von dem, was sein König von ihm verlangt hat. In der Erzählung erscheint dabei der Gott Israels als derjenige, der Bileam Weisung erteilt. Bileam wusste also auch schon, dass er Gott mehr gehorchen musste als den Menschen.
 
Bei der Frage nach der Vollmacht Jesu und der Vollmacht des Täufers geht es ja auch darum, wem sie gehorchen. Beide handeln in der Vollmacht Gottes und wissen, dass sie Gott mehr gehorchen müssen als den Menschen – koste es, was es wolle.
 
Die Vorbereitung auf die Geburt Jesu stellt uns auch vor die Frage, wem wir gehorchen, in wessen Auftrag wir handeln. Im Alltag fällen wir unsere Entscheidungen in der Regel intuitiv. Wie kommen wir zu unseren Intuitionen, woraus nähren sie sich?
 
Bilde, Herr, unser Herz nach deinem Herzen
und lass uns auf seine Stimme hören.
Hilf uns, Menschen zu werden,
deren Herz im Schlagrhythmus des Herzens Jesu schlägt.


Dritter Adventssonntag
     
Heute begegnen wir noch einmal Johannes dem Täufer. Diesmal in der Version des Johannesevangeliums. Johannes sagt von sich selbst, dass er Zeugnis ablegt für das Licht. Diese Stelle ist eingewoben in den Prolog, der vom Kommen des Logos in die Welt spricht, und dieser Logos ist das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet – Jesus Christus selbst.
 
In der Jesajalesung wird dieses Licht beschrieben als ein Mensch, auf dem Gottes Geist ruht, der den Armen eine frohe Botschaft verkündet, alle heilt, deren Herz zerbrochen ist …. An anderer Stelle im Evangelium bezieht Jesus diese Worte des Jesaja ausdrücklich auf sich (Lk 4,18f.).
  
Aber kommen wir noch mal zurück zu Johannes d. T. Er wird von den Jerusalemer Priestern gefragt, wer er ist. Zur Auswahl stehen der Messias selbst, Elija, der wiederkommen soll oder der Prophet, womit hier in Bezug auf Dtn 18,15-18 Moses gemeint ist. Johannes verneint alles. Er ist die Stimme in der Wüste, von der wir schon gehört haben.
  
Und dann verweist er auf Jesus: Mitten unter euch steht der, den ihr nicht kennt. Machen wir uns an dieser Stelle dem Evangelium noch mal gleichzeitig: Wir stehen in der Menschen­masse und uns wird gesagt: Mitten unter euch steht der, den ihr nicht kennt. Oder wir gehen von unserer alltäglichen Situation aus (die Corona-Beschränkungen denken wir uns jetzt mal weg). Wer ist es, der mitten unter uns steht und den wir nicht (er-)kennen? Wo treffen wir auf ihn, von dem Johannes sagt, er sei es nicht wert, dass er ihm die Sandalen öffnet? Ist Jesus in unserer Welt anzutreffen? Können wir ihm begegnen oder existiert er nur in unserer Fantasie? Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir uns erst eine andere stellen: Sind wir bereit, unsere Wirklichkeit durch die Worte des Evangeliums deuten zu lassen?
 
Wo können wir heute, am dritten Adventssonntag 2020 dem Licht begegnen, das in die Welt kommen soll, um alle Menschen zu erleuchten? Im Eröffnungsgesang der Heiligen Messe (gregorianischer Choral) heißt es heute: Gaudete! Freuet euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch! Denn der Herr ist nahe.
  
Du Aufgang,
Glanz des ewigen Lichts
und Sonne der Gerechtigkeit -
Komm und bring denen Licht
die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes.
(O-Antiphon am 21. Dezember)


Samstag der zweiten Woche im Advent
 
 
In der Lesung aus dem Buch Jesus Sirach, das eine der jüngsten Schriften des Alten Testaments ist, wird Elija als ein Prophet wie Feuer beschrieben. Das bezieht sich auf seine Handlungen, sein Temperament und auf seine Entrückung auf dem Feuerwagen, von der ich schon gesprochen habe. Jesus Sirach greift auch die Prophetie des Maleachi auf (der viel älter ist als Jesus Sirach), die besagt, dass Elija wiederkommen wird. Hier ist von der Endzeit die Rede. Jesus greift diese Prophetie auf und deutet sie so, dass Elija in Johannes dem Täufer wiedergekommen ist. Hier erkennen wir übrigens auch etwas von der Art, wie Wahrheit im biblischen Denken verstanden wird. Es geht nicht um eine Wahrheit von Fakten, sondern um eine Wahrheit der Erfahrung und ihrer Deutung.
 
Zugleich zeigt Jesus mit seiner Deutung, dass sich die Erwartungen, die sich an die Wiederkunft des Elija knüpften, nach dem Augenschein nicht erfüllten: Sie haben mit ihm gemacht, was sie wollten. Der Isebel ist es damals nicht gelungen, Elija zu vernichten, aber jetzt hat Herodias ihr böses Spiel gewonnen. Dann gibt es aber noch diesen ganz wichtigen Satz am Ende der Stelle aus Jesus Sirach: Wohl dem, der dich sieht und stirbt; denn auch er wird leben. Das ist eine der Stellen aus den späten Schriften des Alten Testaments, in denen man die Andeutung eines Auferstehungsglaubens entdecken könnte. Damit kommen wir dann eben schon ganz nah an die Person Jesu heran.
 
Nach neutestamentlichem Verständnis ist mit Jesus die Endzeit angebrochen. Wir leben auch in der Endzeit. Damit ist nicht eine chronologische Endzeit gemeint, sondern der Moment, in dem die Zeit überhaupt endet. Mit dem Übergang ins ewige Leben endet jede Zeit. Und Jesus ist gekommen, um uns das ewige Leben zu schenken.
 
Auch du, Herr, bist gekommen,
um Feuer auf die Erde zu werfen
und wie sehr wünschst du, dass es schon brennt.
Entzünde in uns das Feuer der Liebe,
der alleine es möglich ist,
die Wunden der Menschheit zu heilen.


Freitag der zweiten Adventswoche
   
Wenn Jesus im Evangelium von „dieser Generation“ spricht, dann sind damit nicht nur seine Zeitgenossen gemeint. Bei der persönlichen Aneignung des Evangeliums geht es immer darum, dass wir uns dem Geschehen und den Worten Jesu gleichzeitig machen. Wir können uns unter seine Hörer begeben oder aber die Situation in unsere Zeit verlegen. Das Wort Gottes ist ewig, es gilt nicht nur für eine bestimmte Zeit. Darin liegt seine tiefe und bleibende Wahrheit. Wenn wir das Wort Gottes, in der die Weisheit Gottes hörbar wird und recht bekommt, überdenken und aktualisieren – womit ich keine platte Übertagung meine – dann erfahren wir seine Wahrheit. Wahrheit ist das, was wirklich ist.
 
Also: Jesus ruft uns zu, dass wir bei den Hochzeitsliedern nicht tanzen und uns bei den Klageliedern nicht an die Brust schlagen. Der Prophet Jesaja spricht im Namen Gottes: Hättest du doch auf meine Gebote geachtet! Johannes der Täufer steht für die Bußprediger aller Zeiten. Wer mahnt uns heute zur Umkehr? Ich bin fast geneigt zu sagen: Die Tagesschau. Wer das Weltgeschehen mit wachen Augen betrachtet, kann das himmelschreiende Unrecht nicht übersehen, dass an so vielen Orten und in so vielen Zusammenhängen geschieht. Wer hat nicht mit Entsetzen auf die Bilder geschaut, die uns aus den Schlachthöfen geliefert worden sind: Kann es sein, dass wir so mit Tieren umgehen und so mit Menschen? Die Pandemie führt uns in dramatischer Weise vor Augen, wie krank unsere Welt ist. Gott ruft uns auch durch die Realitäten unseres Lebens zur Umkehr.
 
Und Jesus, der die Hochzeitslieder spielt, der von Vergebung und Versöhnung spricht, der Heilung und Heil bringt – wird er von vielen Zeitgenossen noch ernst genommen oder einfach nur belächelt? Und wie ist das mit den Menschen, die versuchen, diesem Jesus auch heute ein Gesicht zu geben – werden sie nicht einfach nur als „Gutmenschen“ verspottet? Das ist jetzt sicher schwarz-weiß gemalt, aber die Tendenzen sind klar.
Johannes der Täufer ist eine adventliche Gestalt. Er passt so garnicht in eine Stimmung, die von Kerzenschein und Plätzchen bestimmt ist. Auch wenn er uns jetzt unbequem ist – wenn wir wirklich Weihnachten feiern wollen, müssen wir uns auch von ihm zur Umkehr rufen lassen. Dann können wir auch zu den Hochzeitsliedern Jesu tanzen.
 
Lass uns, Herr, auf deine Gebote achten,
damit unser Glück wird wie ein Strom,
und unser Heil wie die Wogen des Meeres.


Donnerstag der zweiten Adventswoche

 
In den kommenden Tagen hören wir Abschnitte aus den Evangelien, die sich um die Frage drehen, wer Johannes der Täufer – einer der großen adventlichen Gestalten – ist und wie die Menschen auf ihn reagiert haben. Die Lesungen aus den Propheten und anderen alttestamentlichen Büchern sprechen weiter von den Verheißungen Gottes für sein Volk. Aus dem Propheten Jesaja hören wir heute Heilszusagen, die an das Thema von gestern anknüpfen: Gott spricht Menschen Mut zu, die in größter Bedrängnis und Not leben, in der hoffnungslosen Situation des babylonischen Exils. Dass einmal der persische König Kyrus kommen und diese Situation beenden würde, damit hatte niemand gerechnet. Jesaja sieht die Erlösung kommen und sagt: Ich selber werde dir helfen. Der Heilige Israels löst dich aus. Und so wird Kyrus auch später als ein von Gott Beauftragter gesehen, der dem Volk die Rückkehr in sein Land ermöglicht.
 
Im Matthäusevangelium sind an dieser Stelle wohl verschieden Worte über Johannes den Täufer zusammengestellt, die teilweise sehr schwer zu verstehen sind. Im ersten Wort wird gesagt, dass Johannes zwar der größte unter allen Menschen ist. Aber der Kleinste im Himmelreich sei größer als er. Was ist damit gemeint? Sicher sagen, kann ich das auch nicht, aber eine mögliche Deutung könnte diese sein: Mit dem Kommen des Himmelreiches bricht etwas völlig Neues an. Die Menschen werden durch die Erlösung in Jesus Christus zu Söhnen und Töchtern Gottes. Das ist eine völlig neue Perspektive für die Menschen. Jesus will auf das Anbrechen dieser ganz neuen Wirklichkeit hinweisen.
 
Zu dem letzten Wort ist zu sagen, dass eine Wiederkunft des Elija erwartet wurde, die dem Tag des Herrn vorausgeht. Es steht beim Propheten Maleachi: Bevor aber der Tag des HERRN kommt, der große und furchtbare Tag, seht, da sende ich zu euch den Propheten Elija (Mal 3,23). In Johannes dem Täufer wurde diese Wiederkunft des Propheten Elija gesehen, der ja nicht gestorben ist, sondern im Feuerwagen entrückt wurde (2 Kön 2,11). Deshalb steht das Buch des Propheten Maleachi am Ende des Alten Testaments und bildet somit die Brücke zu den Evangelien, die abgesehen von den Vorgeschichten bei Mt und Lk mit dem Auftreten Johannes des Täufers beginnen.
 
Mit dem Kommen Jesu beginnt der Tag des HERRN, eine neue Zeitrechnung, eine neue Wirklichkeit. Elija ist mit großen und machtvollen Zeichen aufgetreten – Jesus selbst kommt als hilfloses Kind und endet am Kreuz – das ist ein furchtbarer Tag und zugleich der Beginn des neuen Lebens. So können wir auch manches, das wir heute als „furchtbaren Tag“ erleben, mit der Hoffnung betrachten, dass dies nicht die letzte Wirklichkeit ist.

Schenke und Ohren, die hören
und Augen, die sehen,
die schon jetzt das Himmelreich sehen,
im Dunkel das anbrechende Licht.


Mittwoch der zweiten Adventswoche
     
In den beiden Lesungen wird heute ein Thema angesprochen, das uns Menschen alle betrifft: Gott kümmert sich um die Müden und Erschöpften. Vor Gott müssen wir nicht so tun, als würden wir vor Kraft strotzen, als würde uns alles gelingen. Vor Gott dürfen wir auch müde und erschöpft sein. Jesus sagt sogar: Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Und bei Jesaja steht: Die aber auf den Herrn vertrauen, schöpfen neue Kraft.
 
Wie geschieht dieses „Kraft schöpfen“? Wenn wir im Leben schwere Lasten zu tragen haben, sind diese Lasten nicht plötzlich leicht oder gar weg. Und es gibt Lebenssituationen, die sind derartig belastend und niederdrückend, dass wir meinen, es geht einfach nicht mehr. Das Schlimme in solchen Situationen liegt auch darin, dass wir keinen Ausweg, kein Entrinnen sehen. Und genau da setzt Gottes Hilfe an. Im Lukasevangelium gibt es eine Beschreibung der Nöte der Endzeit und am Ende dieser Ankündigung all dieser schrecklichen Ereignisse heißt es: Wenn dies beginnt, dann richtet euch auf und erhebt eure Häupter, denn eure Erlösung ist nahe (Lk 21,28). Das ist eine erstaunliche Aufforderung. Wenn wir zutiefst bedrückt sind, dann senken wir unseren Kopf und unseren Blick, und oft genug, sind wir im permanenten Kreisen unserer Gedanken gefangen. Dagegen stellt Gott seinen Anruf: Hebe deinen Kopf und schau nach vorn – es wird nicht immer so bleiben, deine Erlösung wird kommen, auch wenn du jetzt noch nichts davon siehst. In dem Moment, in dem wir Gott und in dem wir Jesus in unsere Situation einlassen, sind wir nicht mehr allein. Wir können ihm die Er-lösung aus unserer Not anvertrauen, die wir selbst nicht zustande bringen.
  
Jesus spricht von seinem leichten Joch. Dazu gibt es eine mögliche Auslegung: Jesus hat ein Joch vor Augen, in dem zwei Tiere gehen und er bietet uns sein Joch an, in dem er auf der einen und wir auf der anderen Seite gehen …
  
Rufe du, Herr, die Menschen an,
die eine unerträgliche Last tragen.
Rufe sie an, dass sie ihren Blick zu heben wagen
und einen Lichtschimmer sehen,
der ihnen die Kraft gibt, weiterzugehen.
Und gib mir die Kraft und die Bereitschaft,
auch selbst die Last eines anderen mitzutragen,
so dass wir ein Stück gemeinsam des Weges gehen.
 

Hochfest der ohne Erbsünde empfangene Jungfrau und Gottesmutter Maria
    
Heute feiern wir ein Hochfest, das wirklich nicht leicht zu verstehen ist. Was feiern wir an diesem Tag eigentlich? Früher hieß das Fest auch „Unbefleckte Empfängnis Mariens“, was noch missverständlicher ist.
Wir feiern ein Geheimnis, das so nicht direkt in der Heiligen Schrift steht, weshalb es auch in der evangelischen Kirche nicht gefeiert wird. Ich versuche es kurz zu machen: Schon sehr früh hat sich bei den Gläubigen die Überzeugung verbreitet, dass Jesus, wahrer Gott und wahrer Mensch, unmöglich von einer „normalen“ Frau, die auch durch die Sünde belastet ist, empfangen und geboren werden konnte. Eine sündige Mutter ist für den Sohn Gottes unvorstellbar. Das entsprach dem Verständnis, das in der Antike als selbstverständlich galt, für uns aber heute schwer zugänglich ist. Zu der Überzeugung der Gläubigen kam dann später die Philosophie hinzu, die eine solche Auffassung auf der Grundlage der aristotelischen Logik bestätigt hat.
 
Am 8. Dezember 1854 wurde diese Aussage über Maria, die schon über viele Jahrhunderte geglaubt wurde, als Dogma verkündet. Am selben Tag wurde die erste Kapelle unseres Klosters hier in Osnabrück (damals noch am Neuen Graben) geweiht und natürlich unter dieses Patrozinium gestellt.
 
Was bedeutet dieses Fest aber nun für uns? Maria ist schon im Voraus im Hinblick auf den Erlösertod Christi von Gott zu einer würdigen Wohnung für seinen Sohn bereitet worden. So formuliert es das Tagesgebet. Es kann uns in Staunen versetzen, dass Gott sich einer einfachen Frau annimmt und sie zur Mutter seines Sohnes erwählt und eben auch für diese Aufgabe vorbereitet. In Hinblick auf die Gottesmutterschaft ist Maria einzigartig. Nicht im Hinblick auf die Erwählung. Die heutige Stelle aus dem Epheserbrief sagt es deutlich: Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Grundlegung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor ihm. Er hat uns aus Liebe im Voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus und zu ihm zu gelangen nach seinem gnädigen Willen, zum Lob seiner herrlichen Gnade. Hier wird uns zugesagt, dass auch wir erwählt sind zur Heiligkeit und vor allem dazu, Söhne und Töchter Gottes zu werden. Wenn wir heute also auf Maria schauen, dann erkennen wir in ihr auch, wozu wir berufen und erwählt sind. Vielleicht erkennen wir, dass wir dieser Berufung nicht gerecht geworden sind, dass es in uns eben auch ganz andere Wirklichkeiten gibt. Aber der Epheserbrief sagt auch, dass Gott vollbringen wird, was er beschlossen hat. So dürfen wir zuversichtlich sein und gespannt, was Gott noch aus uns machen wird.
 
Lass uns, Herr, im Blick auf Maria vertrauen,
dass du auch an uns vollbringen wirst,
was du beschlossen hast,
und lass uns schon jetzt einstimmen
in den Lob deiner herrlichen Gnade.


Montag der zweiten Adventswoche
 
Heute ist der Gedenktag des heiligen Ambrosius. Deshalb füge ich die laufenden Schriftlesungen wieder hier ein.
  
Jesaja 35,1-10
Jubeln werden die Wüste und das trockene Land, jauchzen wird die Steppe und blühen wie die Lilie. 2 Sie wird prächtig blühen und sie wird jauchzen, ja jauchzen und frohlocken. Die Herrlichkeit des Libanon wurde ihr gegeben, die Pracht des Karmel und der Ebene Scharon. Sie werden die Herrlichkeit des HERRN sehen, die Pracht unseres Gottes. 3 Stärkt die schlaffen Hände und festigt die wankenden Knie! 4 Sagt den Verzagten: Seid stark, fürchtet euch nicht! Seht, euer Gott! Die Rache kommt, die Vergeltung Gottes! Er selbst kommt und wird euch retten. 5 Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben werden geöffnet. 6 Dann springt der Lahme wie ein Hirsch und die Zunge des Stummen frohlockt, denn in der Wüste sind Wasser hervorgebrochen und Flüsse in der Steppe. 7 Der glühende Sand wird zum Teich und das durstige Land zu sprudelnden Wassern. Auf der Aue, wo sich Schakale lagern, wird das Gras zu Schilfrohr und Papyrus. 8 Dort wird es eine Straße, den Weg geben; man nennt ihn den Heiligen Weg. Kein Unreiner wird auf ihm einherziehen; er gehört dem, der auf dem Weg geht, und die Toren werden nicht abirren. 9 Es wird dort keinen Löwen geben, kein Raubtier zieht auf ihm hinauf, kein einziges ist dort zu finden, sondern Erlöste werden ihn gehen. 10 Die vom HERRN Befreiten kehren zurück und kommen zum Zion mit Frohlocken. Ewige Freude ist auf ihren Häuptern, Jubel und Freude stellen sich ein, Kummer und Seufzen entfliehen.
 
Lk 5,17-26
17 Und es geschah eines Tages, als Jesus lehrte, saßen Pharisäer und Gesetzeslehrer dabei; sie waren aus allen Dörfern Galiläas und Judäas und aus Jerusalem gekommen. Und die Kraft des Herrn war mit ihm, sodass er heilen konnte. 18 Und siehe, Männer brachten auf seinem Bett einen Menschen, der gelähmt war. Sie wollten ihn ins Haus bringen und vor Jesus hinlegen. 19 Weil es ihnen aber wegen der Volksmenge nicht möglich war, ihn hinein­zubringen, stiegen sie aufs Dach und ließen ihn durch die Ziegel auf dem Bett hinunter in die Mitte vor Jesus hin. 20 Als er ihren Glauben sah, sagte er: Mensch, deine Sünden sind dir vergeben. 21 Und die Schriftgelehrten und die Pharisäer fingen an zu überlegen: Wer ist dieser, der Lästerungen ausspricht? Wer kann Sünden vergeben außer Gott allein? 22 Jesus aber erkannte ihre Gedanken und erwiderte ihnen: Was überlegt ihr in euren Herzen? 23 Was ist leichter, zu sagen: Deine Sünden sind dir vergeben! oder zu sagen: Steh auf und geh umher? 24 Damit ihr aber erkennt, dass der Menschensohn die Vollmacht hat, auf der Erde Sünden zu vergeben - sprach er zu dem Gelähmten: Ich sage dir: Steh auf, nimm dein Bett und geh in dein Haus! 25 Und sogleich stand er vor ihren Augen auf, nahm das Bett, auf dem er gelegen hatte, und ging Gott preisend in sein Haus. 26 Da gerieten alle außer sich; sie priesen Gott und sagten voller Furcht: Heute haben wir Unglaubliches gesehen.
 
Im Evangelium wird von der aufsehenerregenden Heilung eines Gelähmten erzählt, den seine Freunde durch das Dach herunterlassen, weil sie anders nicht zu Jesus gelangen können. Diese Erzählung bezieht sich auf den Satz der Lesung: Dann springt der Lahme wie ein Hirsch. Dieser Vers steht in der Lesung aber in einem viel größeren Kontext. Da wird zunächst von der blühenden Wüste gesprochen und davon, dass der glühende Sand zu einem Teich wird. Eine Straße entsteht, auf der die Befreiten gehen und ewige Freude ruht auf ihnen.
 
Stellen wir das Handeln Jesu mal in diesen großen Kontext. Jesus kannte ja die Verheißungen des Propheten Jesaja und er wollte mit den Heilungen immer auf mehr hinweisen, als nur auf die körperliche Seite. Und so geht es auch hier um den Glauben der Freunde des Gelähmten und um die Sündenvergebung. Es geht um eine umfassende Heilung. Bei Jesaja steht auch: Seht, hier ist euer Gott! Und auch das will Jesus zeigen: Wenn ich den Gelähmten heile, dann seht ihr, dass Gott hier ist und er vergibt die Sünden. Ja, Jesus heilt im Namen Gottes und er vergibt Sünden im Namen Gottes. Er selbst kann dies ohne ausdrücklichen Bezug auf Gott tun, weil er als der Sohn Gottes in einer solchen Nähe zu Gott steht, dass wir sagen, in ihm ist Gott selbst gegenwärtig.
 
Wir sehen Sünde zuerst als eine moralische Verfehlung. Aus der Sicht der Bibel ist es aber vor allem eine Störung des Verhältnisses zwischen Gott und dem Menschen, und diese Störung betrifft die ganze Schöpfung. Deshalb haben wir bei Jesaja auch die Bilder der blühenden, wasserführenden Wüste. Wenn Gott, die Sünde hinweg nimmt – bei Jesaja steht das Exil in Babylon im Hintergrund, das als Strafe aufgefasst wurde – dann wird auch die Schöpfung wieder heil. Und so können wir die Heilung des Gelähmten auch als Hinweis auf die Sendung Jesu sehen: Er ist gekommen und kommt, um den Menschen und die ganze Schöpfung zu heilen und mit Gott zu versöhnen.
So wichtig es ist, dass wir uns um den Erhalt der Schöpfung mühen und gegen den Klimawandel angehen, sollten wir auch da sehen, dass es um mehr geht als um moralische Verfehlungen. Auch am Zustand unserer Erde wird das gestörte Verhältnis zu Gott offensichtlich. Wenn wir also unsere Erde heilen wollen, dann braucht es zuerst die Heilung unserer Beziehung zu Gott.
 
Wir bringen die Leiden der ganzen Menschheit vor dich, Herr.
Wir bringen unsere kranke Erde vor dich,
und wir kommen selbst zu dir:
Heile du, was verwundet ist,
und lass uns mit glühender Sehnsucht
nach dieser Heilung verlangen.


Zweiter Adventssonntag
     
Wenn ich die Worte der Jesajalesung höre, denke ich an den Messias von Händel. Das ist eine sehr ausdrucksstarke Musik, in der auch die Dramatik der Prophetenworte zum Klingen kommt. Tröstet, tröstet mein Volk … Bahnt für den HERRN einen Weg durch die WüsteWas krumm ist, soll gerade werden. Jesaja ruft dem Volk, das sich im Exil befindet, zu, dem HERRN den Weg durch die Wüste zu bereiten. Damit klingt die Erinnerung an die Befreiung aus der Knechtschaft Ägyptens an. So wie Gott damals das Volk aus dem Sklavenhaus befreit hat, wird er es auch jetzt befreien.
 
Diese Botschaft greift Johannes der Täufer auf, wenn er das Volk zur Umkehr ruft und zur Taufe zur Vergebung der Sünden. Der Evangelist Markus erkennt in Johannes die Stimme des prophetischen Rufers in der Wüste. Der HERR, der kommen wird, ist Jesus Christus. Er ist der angekündigte Hirte, der seine Herde sammelt. Das ist ein Bild für Sendung und Botschaft Jesu. Wichtig dabei ist zu wissen, dass in Israel der Hirte des Volkes ein Bild für den König war. Wir dürfen uns darunter also keinen einfachen Schafhirten vorstellen, sondern einen königlichen Hirten, dessen erste Aufgabe es ist, sich um die Schwachen und Kranken zu kümmern und den Witwen und Waisen zu ihrem Recht zu verhelfen.
  
Wenn wir diese Worte heute hören, sind sie an uns gerichtet. Es geht darum, dass wir dem HERRN einen Weg bereiten, auf dem er zu uns kommen kann. Dabei sollen wir dieses Bild des königlichen Hirten vor Augen haben. Wie können wir ihm einen Weg bereiten? Was bedeutet dann das Krumme, das gerade werden soll? Im Matthäusevangelium ist die Predigt des Johannes ausführlicher dargelegt (Mt 3,7-14). Dort sagt er u.a.: Wer zwei Gewänder hat, der gebe eines davon, dem der keines hat, und wer zu essen hat, der handle ebenso!
  
Öffne, Herr, meine Augen
für die Menschen an meinem Weg.
Öffne, mein Herz
für ihre Not.
Öffne meine Hände
zum Teilen.
Öffne meinen Mund
für ein gutes Wort.

 
Samstag der ersten Adventswoche
    
Wir hören heute wieder eine der Verheißungen Jesaja, die auf gute und heilbringende Zeiten hinweisen. Diese Verheißungen wechseln sich im Buch Jesaja mit Androhungen von Vernichtung und Zerstörung ab. Und so scheint es auch an der heutigen Stelle zu sein, wenn es dort plötzlich unvermittelt heißt: am Tag des großen Mordens, wenn die Türme einstürzen. Wie dieser Vers dorthin kommt, weiß ich auch nicht. Das ist eine Frage für die Exegese. Aber er zeigt an, dass Jesaja nicht in einer Heilszeit spricht, sondern in einer Zeit der Bedrohung. Mir fällt auch V 21 auf: … wenn er dir nachruft: Hier ist der Weg, auf ihm müsst ihr gehen, auch wenn ihr selbst rechts oder links gehen wolltet. Gott ringt mit uns um den rechten Weg. Das ist eine Erfahrung, die wir immer wieder im eigenen Leben machen können. Ich kann für mich sagen, dass ich manches Mal lieber rechts oder links gegangen wäre (und es vielleicht auch getan habe), obschon ich wusste, dass Gott mich auf einen anderen Weg ruft.

Die Verbindung zum Evangelium liegt aber in einem anderen Vers: Zu der Zeit, wenn der Herr die Leiden seines Volkes heilt und seine Wunden verbindet … Jesus sendet seine Jünger – das sind heute wir – aus, Kranke zu heilen, Aussätzige rein zu machen, Dämonen auszutreiben. Wir sind daran beteiligt, dass die Verheißungen, die Gott durch seine Propheten und zuletzt durch seinen Sohn gegeben hat, in Erfüllung gehen. Wer sind heute die Aussätzigen unserer Gesellschaft? Wen wollen wir auf Abstand halten oder um wen, machen wir ganz persönlich einen großen Bogen? Wenn wir diesen Menschen wieder ein Ansehen geben, indem wir sie sehen, wahrnehmen und uns um sie kümmern, machen wir sie „rein“. Wir holen sie damit aus ihrer Isolation und Stigmatisierung.

Das Mönchtum kennt den „Dämonenkampf“ auch im eigenen Inneren. Es geht dabei um den Kampf mit den Gedanken, die uns besetzt halten und unfrei machen. Bevor wir dazu in der Lage sind, andere Menschen von ihren „Dämonen“ zu befreien, müssen wir uns erst mal mit den eigenen befassen. Welche das sind, kann vermutlich jeder und jede für sich selbst am besten feststellen.
 
Seele Christi, heilige mich!
Leib Christi, rette mich!
Blut Christi, tränke mich!
Wasser der Seite Christi, wasche mich!
Leiden Christi, stärke mich!
O guter Jesus, erhöre mich!
Birg in deinen Wunden mich!
Von dir lass nimmer scheiden mich!
Vor dem bösen Feind beschütze mich!
In meiner Todesstunde rufe mich!
Zu dir zu kommen, heiße mich,
mit deinen Heiligen zu loben dich
in deinem Reiche ewiglich! Amen.


Freitag der ersten Adventswoche
     
Im Evangelium wird von der Heilung der beiden Blinden erzählt. Es gibt verschiedene Berichte von Blindenheilungen. Hier fragt Jesus zuvor: Glaubt ihr, dass ich euch helfen kann? Bei vielen anderen Krankenheilungen sagt Jesus nach der Heilung: Dein Glaube hat dir geholfen. Glauben und Heilung hängen also zusammen. Bei Jesaja heißt es: Die Augen der Blinden sehen sogar im Dunkeln und Finstern.

Mir fällt dabei ein Weisheitsspruch ein, der aus Asien oder Afrika stammt: „Eher sieht jemand nachts eine schwarze Spinne auf einem schwarzen Stein als das Böse im eigenen Herzen“. Jesaja spricht im Zusammenhang mit der anbrechenden Heilszeit auch davon, dass der Schurke erledigt ist und alle ausgerottet sind, die Böses tun. Wenn mit Jesus die Zeit des Heils anbricht, dann ist damit sicher mehr gemeint als nur die Heilung körperlicher Leiden, so gravierend diese auch sein mögen. Geht es nicht letztlich um die Heilung unseres Herzens? Ist Jesus nicht gekommen, um uns mit Gott zu versöhnen? Der Advent ist eine Zeit der Umkehr. Je mehr wir uns Gott nähern, umso mehr werden wir uns auch unserer eigenen Schattenseiten bewusst. Es geht aber nicht darum, dass wir in Schuldgefühlen versinken, sondern darum, uns heilen zu lassen, auch uns selbst mit neuen Augen zu sehen.
 
Auch uns fragt Jesus: Glaubst du, dass ich dir helfen kann? Glaubst du, dass ich dich heil machen kann? Die Heilung unseres Herzens geschieht nicht in einem Augenblick, sie schreitet langsam voran. Es ist ein Prozess, der uns mehr und mehr zu „Menschen des Lichtes“ macht. „Licht“ steht in der Bibel für das Gute, das Heile, den Frieden.
  
Lass mich, Herr, mich selbst mit neuen Augen sehen,
dass Licht in mein Dunkel fällt.
Lass mich mit dem Licht deiner Augen sehen
mich selbst,
die Menschen
und deine ganze Schöpfung.


Donnerstag der ersten Adventswoche
 
Der Schott nimmt bei den Gedenktagen der Heiligen (heute Franz Xaver) leider nicht die fortlaufenden Lesungen. Deshalb setzte ich sie hier in den Blog.
Jes 26,1-6
1 An jenem Tag wird dieses Lied im Land Juda gesungen: Wir haben eine starke Stadt. Zum Heil setzt er Mauern und Wall. 2 Öffnet die Tore, damit eine gerechte Nation einzieht, die (dem HERRN) Treue bewahrt. 3 Festem Sinn gewährst du Frieden, ja Frieden, denn auf dich verlässt er sich. 4 Verlasst euch stets auf den HERRN; denn GOTT, der Herr, ist ein ewiger Fels. 5 Denn die Bewohner der Höhe hat er niedergebeugt, die hoch aufragende Stadt erniedrigt; er hat sie erniedrigt bis zur Erde, sie bis in den Staub gestoßen. 6 Füße zertreten sie, die Füße der Armen, die Tritte der Schwachen.

Mt 7,21.24-27
21 Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern wer den Willen meines Vaters im Himmel tut. 24 Jeder, der diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute. 25 Als ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es nicht ein; denn es war auf Fels gebaut. 26 Und jeder, der diese meine Worte hört und nicht danach handelt, ist ein Tor, der sein Haus auf Sand baute. 27 Als ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es ein und wurde völlig zerstört.

Die Verbindung zwischen diesen beiden Schriftstellen liegt im Vers 4 bei Jesaja: Verlasst euch stets auf den HERRN; denn GOTT, der Herr, ist ein ewiger Fels. Der HERR selbst ist der Fels auf den wir unser Haus bauen sollen. Und Jesus ist der, der uns den Herrn vor Augen führt. Die Stelle aus dem Mt-Evangelium bildet das Ende der Bergpredigt. Jesus bezieht sich damit auf seine Weisungen, seine Auslegung des Mosaischen Gesetzes. Matthäus stellt uns mit der von ihm zusammengestellten Bergpredigt den neuen Mose, den neuen Gesetzgeber vor Augen. Damit wird das Gesetz des Mose nicht ungültig, aber Jesus legt uns seine Bedeutung in ihrer ganzen Tiefe neu aus. Einen Hinweis dafür gibt es schon bei Jesaja, wenn er sagt: Füße zertreten sie (die stolze Stadt), die Füße der Armen, die Tritte der Schwachen. Jesus sagt uns sehr klar, wem unsere Achtung und Fürsorge zu gelten hat: Den Schwachen und Armen. Unser Umgang mit ihnen wird entscheiden, ob unser Haus Bestand haben wird. Jesus geht sogar so weit, dass er uns in den Weisungen der Bergpredigt selbst auf die Seite der Armen und Schwachen stellt, auf die Seite derer, die keine Gewalt anwenden und denen leihen, von denen sie nichts zurück erwarten können.
Wir müssen heute in dramatischer Weise miterleben, dass Menschen, die sich an Schwachen und Hilflosen vergriffen haben, die Fundamente der Kirche erschüttern. Ein solches Haus kann keinen Bestand haben. Was helfen kann, die Kirche wieder auf ein solides Fundament zu setzen, hat uns Jesus gezeigt. Wir dürfen mit daran bauen. Auch unsere Gesichter, geben der Kirche ein Gesicht, auch unsere Hände bauen mit an der neuen Stadt!
 
Hilf mir, Herr, deiner Kirche ein Gesicht zu geben,
das Vertrauen weckt.
Gib meinen Händen die Zärtlichkeit und Kraft,
das Gute zu tun, das Glauben neu wachsen lässt.


Mittwoch der ersten Adventswoche
     
Die Lesungen von heute sind echte „Filetstücke“ der Heiligen Schrift, besonders in der Zusammenstellung und mit dieser Tiefendimension. Wir hören aus dem Buch Jesaja eine endzeitliche Verheißung, in der ein Glück zugesagt wird, das alle Menschen erfassen soll und dieses Glück wird im Bild eines üppigen Festmahls beschrieben. Alles Leid wird verschwunden sein, Gott, der HERR, wischt die Tränen ab von jedem Gesicht. Gott wird sein Volk retten und in diese Rettung sind alle Nationen und Völker einbezogen.

Im Evangelium hören wir, dass Jesus Lahme und Krüppel, Blinde und Lahme heilt, alle, die mit ihren Leiden zu ihm kommen. Auch darin erfüllt sich eine Verheißung des Propheten Jesaja (Jes 34,4-6). Und als die Menschen schon drei Tage bei ihm sind, kommt es zu dem Ereignis, das wir die wunderbare Brotvermehrung nennen. Hierin erfüllt sich im Ansatz die Verheißung vom üppigen Festmahl. Es ist noch nicht von erlesenen Weinen und feinsten Speisen die Rede, sondern von Brot und Fisch, der Nahrung des einfachen Volkes. Wie auch immer sich diese Brotvermehrung konkret zugetragen hat – sie ist auf jeden Fall eine prophetische Zeichenhandlung Jesu, mit der er auf diese Zeit der Rettung hinweisen will, die mit ihm selbst anbricht.

Da wir diese Lesungen im beginnenden Advent hören, spielt auch immer die Perspektive auf die Wiederkunft Christi am Ende der Zeit eine Rolle. Im letzten Buch der Heiligen Schrift, der Offenbarung des Johannes, wird das Bild vom Abwischen der Tränen aufgegriffen: Denn das Lamm in der Mitte vor dem Thron wird sie weiden und zu den Quellen führen, aus denen das Wasser des Lebens strömt, und Gott wird alle Tränen von ihren Augen abwischen. (Offb 7,17)

Wir leben in einer Zeit der Tränen und des Leides und in dieser Zeit ist uns eine Hoffnung gegeben. Das Leid wird nicht das letzte Wort behalten, sondern es kommt eine Zeit (nämlich die Ewigkeit), in der es kein Leid mehr geben wird und wir das uns verheißene Glück in vollen Zügen genießen dürfen.
 
 
Guter Gott, sieh auf das Leid,
das unsere Welt überzieht.
Schenke uns auch in dieser Zeit
prophetische Zeichen, die uns das Heil ankündigen


Dienstag in der ersten Adventswoche


Im Evangelium sagt Jesus: Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden. Und:  Viele Propheten und Könige wollten sehen, was ihr seht, und haben es nicht gesehen. Sie haben nicht gesehen, was der Prophet Jesaja in einer großen Friedensvision verkündet hat, dieses Friedensreich, das von einem König regiert wird, der all die Eigenschaften in sich vereint, die hier beschrieben werden: Der Geist des Herrn lässt sich nieder auf ihm: der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht. Er richtet nicht nach dem Augenschein, und nicht nur nach dem Hörensagen entscheidet er, sondern er richtet die Hilflosen gerecht und entscheidet für die Armen des Landes, wie es recht ist. Er schlägt den Gewalttätigen mit dem Stock seines Wortes und tötet den Schuldigen mit dem Hauch seines Mundes. Gerechtigkeit ist der Gürtel um seine Hüften, Treue der Gürtel um seinen Leib.

Hier handelt es sich um die Beschreibung des idealen Königs. Jesus ist dieser König, der Gott seinen Vater nennt. Er ist der Sohn Gottes, und der Vater hat ihm alles übergeben und anvertraut. In seiner Zuwendung zu den Armen und Kranken, zu den Witwen und Waisen erweist Jesus sich auch als der Sproß aus der Wurzel Isais, also als Sohn Davids, in dem Israel den idealen König verehrte.

Wenn wir uns die Beschreibung des Friedensreiches anschauen, in dem der Panther beim Böcklein liegt, wissen wir sofort: Da sind wir noch nicht angekommen, diese Verheißung hat sich in dieser Welt noch nicht wirklich erfüllt. Wir erwarten die Erfüllung noch und zugleich sind wir aufgerufen, mitzuwirken am Kommen des Reiches Gottes, am Kommen dieses Friedensreiches. Darin erweisen auch wir uns als Töchter und Söhne Gottes, die wir durch unsere Taufe geworden sind.

 Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens …


30. Dezember 2020, Fest des Apostels Andreas


Das Fest des Apostels Andreas verdrängt die laufenden Lesungen im Advent. Es wird von der ersten Jüngerberufung am See Genezareth erzählt. Zu diesen ersten Jüngern zählte auch Andreas der Bruder des Simon Petrus. Gestern wurden wir mit der Ankündigung der Endzeit konfrontiert und heute dürfen wir noch einmal Zeugen des „galiläischen Frühlings“, der ersten Zeit des öffentlichen Auftretens Jesu werden. In den kommenden Tagen werden wir noch mehr davon hören und Jesus begleiten, mit dem die Endzeit anbricht, die Zeit der Entscheidung und der Vollendung. In der Stelle aus dem Römerbrief heißt es heute: Wer an ihn glaubt, wird nicht zugrunde gehen.
 

Erster Adventssonntag

 
Im Evangelium spricht Jesus von der Endzeit und vom Kommen des Menschensohnes. Er mahnt uns zur Wachsamkeit und dazu, die Zeichen zu erkennen, die diese Endzeit ankündigen. Der Prophet Jesaja preist die Güte Gottes, die bestehen bleibt, auch wenn der Mensch seine eigene Schlechtigkeit erkennt. Er ruft: Reiß doch den Himmel auf, und komm herab, so dass die Berge zittern vor dir. Die Berge sollen zittern und zugleich können diejenigen, die auf Gott hoffen, sein Kommen erflehen, weil sie Gutes erwarten dürfen. Das scheint erst mal ein Widerspruch zu sein und vielleicht steht bei Jesaja an dieser Stelle die Betonung unserer menschlichen Sünden sogar im Vordergrund.

Diese Ambivalenz zeigt sich auch im Evangelium. Jesus spricht davon, dass sich die Sonne verfinstert und der Mond nicht mehr scheint. Und zugleich sollen die Erwählten von den Engeln aus allen Windrichtungen gesammelt werden. Und diese Sammlung ist eine Sammlung zum Heil. Dieser Abschnitt des Markusevangeliums steckt voller Bilder und Symbole, die wir nicht auf Anhieb verstehen, die sich aber aus anderen Texten des Alten Testaments erklären (z.B. Jes 13,10f., Dan 7,13f.)
 
Für uns ist der Aufruf zur Wachsamkeit wichtig. Wir werden hier mit einer Ankündigung konfrontiert, die uns eher weit weg zu sein scheint: Das Ende der Welt und das kommende Gericht. In diesem Jahr haben wir alle hautnah erfahren, dass die Welt, so wie wir sie kennen, sehr leicht aus den Angeln gehoben werden kann. Und was die Zeichen am Feigenbaum betrifft: Kann irgendjemand sagen, er oder sie hätte die Anzeichen des drohenden Klimawandels mit seinen katastrophalen Auswirkungen nicht kommen sehen? Die Heilige Schrift ruft uns dazu auf, diese Dinge nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Aber sie will uns auch nicht in Panik versetzen. Gott selbst, der sich niemals vom Menschen abwendet, wird das letzte Wort haben. Und wir dürfen vertrauend mit Jesaja sagen: Und doch bist du, Herr, unser Vater.

Dieses Wort können wir wie ein Mantra mit durch die Woche nehmen:
 
Und doch bist du, Herr, unser Vater.


Benediktinerinnen vom Heiligsten Sakrament Osnabrück
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