Klosterblog - Schriftimpulse Fastenzeit
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In diesem Blog werde ich in der Fastenzeit jeden Tag einige Gedanken zum
Tagesevangelium schreiben.
Diese Gedanken sind ein Teil der lectio divina, der geistlichen Schriftlesung. In der lectio divina hören wir auf das Wort Gottes. Was sagt Gott in diesem Teil des Evangeliums? Was steht darin über Jesus, über Gott, über die Menschen? Was steht in diesem Teil des Evangeliums für mich und für mein Leben? Ich werde nicht immer zu allen Aspekten etwas schreiben, sondern nur einen Anfang machen. Das kann eine Einladung für Euch sein, selbst noch mehr zu finden, mehr zu entdecken und das heißt, Gott zu begegnen. Es geht um die Begegnung mit Gott in Jesus Christus. Dazu möchte ich Euch in dieser Fastenzeit einladen. Es wird ein Weg auf Ostern zu. Wir gehen gemeinsam mit Jesus nach Jerusalem und lernen ihn auf diesem Weg immer besser kennen.
Diese Gedanken sind ein Teil der lectio divina, der geistlichen Schriftlesung. In der lectio divina hören wir auf das Wort Gottes. Was sagt Gott in diesem Teil des Evangeliums? Was steht darin über Jesus, über Gott, über die Menschen? Was steht in diesem Teil des Evangeliums für mich und für mein Leben? Ich werde nicht immer zu allen Aspekten etwas schreiben, sondern nur einen Anfang machen. Das kann eine Einladung für Euch sein, selbst noch mehr zu finden, mehr zu entdecken und das heißt, Gott zu begegnen. Es geht um die Begegnung mit Gott in Jesus Christus. Dazu möchte ich Euch in dieser Fastenzeit einladen. Es wird ein Weg auf Ostern zu. Wir gehen gemeinsam mit Jesus nach Jerusalem und lernen ihn auf diesem Weg immer besser kennen.
Sr. Ursula Wahle OSB
Zweiter Sonntag der Osterzeit Joh 20, 19-31
Das heutige Evangelium könnten wir auch mit den Worten überschreiben: „Die
Ekklesia wird geboren“. Ich schreibe bewusst nicht „Kirche“, weil wir damit die
heutige institutionalisierte (Kirchensteuer-finanzierte) Kirche verbinden und
die ist nicht gemeint. Die Ekklesia ist die Gemeinschaft der Glaubenden, die
durch den auferstandenen Christus ins Leben gerufen wird.
Beginnen wir mit dem Schluss: Diese
(Zeichen) aber sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Messias
ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem
Namen. Mit diesen Worten sind wir angesprochen. Für uns hat Johannes sein
Evangelium geschrieben, für diejenigen, die zum Glauben an Christus geführt
werden sollen. Ursprünglich endete das Johannesevangelium mit diesen Worten.
Die danach noch folgende Auferstehungserzählung von der Begegnung am See von
Galiläa, ist später angefügt worden.
Was erfahren wir heute über die Geburt der Kirche? Diese Geburt beginnt –
wie jede Geburt! – mit Furcht und verschlossenen Türen. Jesus überwindet diese
Furcht und Verschlossenheit und tritt ein. In diesem Evangelium sagt Jesus
dreimal: Friede sei mit euch! Wir
wissen schon, dass damit eine Wirklichkeit gemeint ist, nicht nur ein Wunsch.
Wir dürfen hier an den Schalom denken, von dem das Judentum spricht. Es ist der
Friede mit Gott, der sich auch konkret im Leben auswirkt. Seine Vollendung
steht noch aus, aber ein Anfang ist gemacht und je mehr wir diesen Frieden in
uns Wirklichkeit werden lassen, umso mehr strahlt er in die Welt aus. Zum ersten Mal hören wir hier von der Freude der Jünger über die Begegnung
mit dem Auferstandenen. Sie freuen sich, als sie ihn an seinen Wunden erkennen.
Die Kirche wird also aus der Freude über die Begegnung mit dem verwundeten und
verherrlichten Christus geboren.
Und schon folgt die Sendung. Wie mich
der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Welch tiefe Bedeutung steckt
darin! Wir sind an Christi statt zu den Menschen gesandt. Paulus sagt es so: Wir sind also Gesandte an Christi statt und Gott
ist es, der durch uns mahnt. Wir bitten an Christi statt: Lasst
euch mit Gott versöhnen! (2 Kor 5,20) Da wir das nicht aus eigener Kraft
und Anstrengung vermögen, haucht Jesus uns an und wir empfangen den Heiligen
Geist. Dieses Anhauchen erinnert an den zweiten Schöpfungsbericht, in dem es
heißt: Da formte Gott, der Herr, den
Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem. So
wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen (Gen 2,7). In Christus sind wir
eine neue Schöpfung (2 Kor 5,17).
Wie die Versöhnung mit Gott geschieht, wird dann konkret gesagt. Die
Ekklesia hat die Vollmacht, Sünden zu vergeben. Erinnern wir uns daran, dass
Jesus der Gotteslästerung angeklagt wurde, weil er Sünden vergeben hat. Denken
wir auch an all das, was mit der Sündenvergebung verbunden ist:
Krankenheilungen, Dämonenaustreibungen, Mahlgemeinschaft mit Sündern … All das
gehört zur Vergebung der Sünden dazu. Die sakramentale Lossprechung von den
Sünden ist das Allerinnerste – und es ist etwas unschätzbar Großes – aber alles
andere gehört untrennbar dazu.
Auch der Zweifel gehört zur Geburt der Kirche. Thomas wird uns vorgestellt
als Beispiel für unsere eigenen Zweifel. Erst gewährt Jesus ihm die ersehnte
Berührung, dann tadelt er seinen Unglauben und sagt: Sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Dazu habe ich schon etwas
gesagt.
Dem Zweifel folgt das Bekenntnis: Mein
Herr und mein Gott! Wenn wir zu diesem Bekenntnis finden, dann ist das eine
Stunde der Gnade, dann ist die Versöhnung mit Gott an ihr Ziel gekommen. Es ist
das größte Geschenk, das Gott einem Menschen machen kann, zu diesem Bekenntnis
zu finden. Dabei drückt Thomas mit Worten aus, was er im Herzen empfindet.
Dann werden wir seliggepriesen: Selig,
die nicht sehen und doch glauben. Das sind all jene, die den Aposteln
folgen bis auf den heutigen Tag. Wir stehen auf dem Bekenntnis der Apostel und
insofern sind wir eine apostolische Kirche.
In der Osterzeit wird dann auch aus der Apostelgeschichte gelesen, wie schon
in der vergangenen Woche. Uns wird vor Augen geführt, wie die Ekklesia
gewachsen ist, wie sie sich ausgebreitet hat und wie Christus seine Ekklesia
mit seinem Geist begleitet und geführt hat. Das ist bis heute so geblieben.
Hier endet der Blog vorerst. Ich wünsche Euch weiter viel Freude bei der
Erforschung der Heiligen Schrift, der Evangelien, aber eben auch der
Apostelgeschichte, die man auch als Evangelium des Heiligen Geistes bezeichnen
könnte.
Jeder und jede einzelne von uns kann auch ihre eigene Geschichte, ihren /
seinen Weg mit Christus aufschreiben, denn der lebendige Jesus ist auch heute
mitten unter uns und ist an seiner „Handschrift“ zu erkennen.
Samstag der Osteroktav Mk 16, 9-15
Das Markusevangelium endete ursprünglich mit V 8 des 15. Kapitels: Da verließen sie (die Frauen) das Grab und
flohen; denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt. Und sie sagten
niemandem etwas davon; denn sie fürchteten sich. Markus hatte sich mit
diesem so verstörenden Schluss natürlich etwas gedacht – vermutlich, dass die
Hörer des Evangeliums nun die Geschichte fortschreiben und Zeugnis von der
Auferstehung Jesu geben sollten. Später wurde dieser Schluss aber als zu abrupt
empfunden und man (wir wissen nicht wer) fügte noch eine Zusammenfassung der
Berichte über die Erscheinungen des Auferstandenen an. Diesen Abschnitt hören
wir heute.
Die Fortschreibung des Markusevangeliums ist aber dem ursprünglichen Stil
sehr ähnlich: knapp und nüchtern-ehrlich. Zunächst wird uns Maria von Magdala
als eine vorgestellt, aus der Jesus sieben Dämonen ausgetrieben hat. Die
Dämonenaustreibungen (wir hatten darüber schon in der Fastenzeit nachgedacht)
sind sehr typisch für Markus. Hier wird uns die „Spitzenfrau“ Jesu als eine
vorgestellt, die ein sehr belastete Leben geführt hat bis sie Jesus traf. Die
Begegnung mit ihm und seine Zuwendung haben sie frei gemacht, so dass sie zu
seiner bedeutendsten Jüngerin wurde, sogar zur Apostolin der Apostel. Das kann
jedem und jeder Mut machen, die sich als „vorbelastet“ erfährt, wenn sie den
Weg der Nachfolge antritt.
Sehr deutlich sagt das Markusevangelium uns, dass die Jünger klagten und
weinten. Es waren eben Menschen und keine Superhelden, auch keine spirituellen
Supermänner. Eben einfach Menschen. Und sie glaubten Maria nicht. Auch den
beiden Emmausjüngern glaubten sie nicht. Hier unterscheidet sich Markus von den
anderen Evangelisten. Er betont den Unglauben, wie er ihn auch im Laufe des
Evangeliums immer wieder betont hat, wenn es um die unverständigen Jünger ging.
Er wollte wohl seine Hörer da abholen, wo sie stehen: Noch im Unglauben
verhaftet. Jesus tadelt seine Jünger und damit auch uns für unseren Unglauben.
Wenn er uns tadelt, dann bedeutet das auch, dass wir einen gewissen Eigenanteil
an unserem Glauben haben. Wenn er reine Gnade wäre und gar nicht auf unser
Mitwirken angewiesen, gäbe es da nichts zu tadeln.
Und jetzt kommt die Überraschung: Diese ungläubigen, furchtsamen Jünger
sendet Jesus aus, damit sie das Evangelium allen Geschöpfen verkünden. Die
Gnade kommt uns zu Hilfe, wenn wir uns auf den Weg machen. In den folgenden
Versen wird dann noch gesagt, wie diese Gnade wirken wird: Und durch die, die zum Glauben gekommen sind, werden folgende Zeichen
geschehen: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben; sie werden in neuen
Sprachen reden; wenn sie Schlangen anfassen oder tödliches Gift trinken, wird
es ihnen nicht schaden; und die Kranken, denen sie die Hände auflegen, werden
gesund werden.
Das entscheidende an der Sendung der Jünger ist, dass sie alles, was sie
tun, im Namen Jesu tun. An anderer Stelle sagt Jesus: Euch aber muss es zuerst um das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit
gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben (Mt 6,33). Das ist eine gute
Weisung für die Kirche in unserer Zeit!
Freitag der Osteroktav Joh 21, 1-14
Nach einer erfolglosen Nacht des Fischens steht Jesus morgens am Ufer und
wieder erkennen sie ihn nicht. Das Nicht-Erkennen scheint eine wichtige und
wiederholt gemachte Erfahrung der Jünger gewesen zu sein. Es wird immer wieder
berichtet und betont.
Jesus spricht seine Jünger mit „meine Kinder“ an, was uns merkwürdig
vorkommt. Jesus ist in dem Sinne der „Vater“ der Jünger und aller Gläubigen als
er ihnen und uns das Ewige Leben geschenkt hat. Er hat quasi durch seinen Tod
und seine Auferstehung in uns das Ewige Leben gezeugt.
Jetzt gibt er ihnen die Anweisung, am frühen Morgen – wenn keine Zeit zum
Fischen ist! – die Netze auszuwerfen. Und es folgt der reiche Fischfang, der
bei Lukas schon am Anfang bei der Berufung der ersten Jünger berichtet wird. So
oder so steht er mit der Sendung der Jünger im Zusammenhang.
Und wieder ist es Johannes, der Jünger, den Jesus liebte, der ihn erkennt: Es ist der Herr! Wir erinnern uns, dass
von ihm am Ostermorgen gesagt wurde: Er
sah und glaubte. Petrus hört, was Johannes sagt und macht etwas zunächst
Unverständliches. Er gürtet sich das Obergewand um, weil er nackt war. Beim
Fischen waren die Männer offensichtlich nackt. Die Nacktheit erinnert aber auch
an die Blöße, die Scham und mit Scham hat es Petrus noch zu tun. Es sitzt ihm
noch in den Knochen, dass er seinen Herrn verleugnet hat. Jetzt springt er in
den See, wohl weil er es nicht erwarten kann, wieder bei Jesus zu sein.
Als sie an Land kommen, hat Jesus ein Kohlenfeuer gemacht. Dieses
Kohlenfeuer erinnert an das Kohlenfeuer, an dem Petrus sich in jener Nacht
gewärmt hat, in der er seinen Herrn verleugnet hat. Auf dem Feuer liegen Fisch
und Brot. Es soll ein Mahl geben. Brot kennen wir vom Abendmahl, in dem Jesus
das Brot mit den Deuteworten „Das ist mein Leib“, an die Jünger verteilt hat.
Der Fisch war das normale Nahrungsmittel am See von Galiläa, aber der Fisch ist
auch ein frühchristliches Symbol für Christus selbst. Das griechische Wort heißt
Ichthys und ist aus den griechischen
Anfangsbuchstaben für Jesus Christus,
Gottes Sohn, Erlöser zusammengesetzt. So ist der Fisch auch ein Symbol für
Jesus selbst.
Dann zieht Petrus das mit 153 Fischen gefüllte Netz an Land. Er ist der
Erste unter den Jüngern und er stellt sich jetzt neu in den Dienst Jesu. Die
Zahl 153 ist eine symbolische Zahl für die Fülle.
Dann lädt Jesus zum Essen ein. Das gemeinsame Mahl gehört in den meisten
Auferstehungserzählungen im Jüngerkreis dazu. Jesus verteilt das Brot und den
Fisch (statt des Weins) und gibt sich auch so wieder zu erkennen.
Die Jünger wagen ihn nicht zu fragen, wer er ist. Offensichtlich ist er
nicht eindeutig als der zu erkennen, den sie zuvor kannten. Und doch wissen sie, dass er es ist. Es ist ein Wissen
mit dem Herzen, ein Wissen der inneren Überzeugung und Gewissheit. Die
Begegnung mit Jesus schenkt diese Gewissheit.
Es ist das dritte Mal, dass sich Jesus den Jüngern offenbart. Wenn etwas
dreimal geschieht, dann ist es sicher. Das ist die Sprache der Bibel. Die
Begegnung mit dem Auferstandenen ist sicher. Es ist gewiss: Jesus lebt!
Donnerstag der Osteroktav Lk 24, 35-48
Ich möchte Euch hier die ersten Verse (36-38) aus einer anderen Übersetzung (Friedolin Stier) aufschreiben, weil sie den griechischen Text sehr viel besser wiedergeben.
Aber während sie davon redeten, trat er selbst in ihre Runde und sagte zu ihnen: Friede euch! Eingeschüchtert aber und furchterfüllt wähnten sie, einen Geist zu schauen. Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr durcheinander und warum steigen Bedenken in eurem Herzen auf?
Plötzlich steht Jesus mitten unter ihnen und sein Gruß sagt ihnen den Frieden zu. Die Übersetzung „Friede sei mit euch“, klingt so, als könne noch etwas dazwischenkommen. Das ist aber nicht gemeint. Der Friede ist mit ihnen. Im krassen Gegensatz zu diesem Gruß steht die Reaktion der Jünger. Sie trauen ihren Augen nicht und sind dementsprechend erschrocken, eingeschüchtert und ängstlich. Wir können uns geradezu die großen Augen und die offenen Münder vorstellen.
Jesus hilft ihnen aus ihrer Schockstarre. Er zeigt ihnen seine Hände und seine Füße – an denen die Wundmale noch zu sehen sind. Und dann sein Wort: Ich bin es selbst. Das heißt: Ich bin der, den ihr kennt, ich bin kein anderer, sondern genau der, den ihr kennt. Das ist eine ganz zentrale Auferstehungsbotschaft: In der Auferstehung wird Jesus nicht ein anderer und wir werden auch nicht andere werden. Auch wir werden wir selbst sein, irgendwie noch wiederzuerkennen und sei es an unseren Wunden.
Dann wird ein weiteres Gerücht entkräftet: Der Auferstandene ist kein Gespenst, er ist kein rein geistiges Wesen, auch wenn er durch verschlossene Türen kommen kann. Vielleicht kursierte unter den Zweiflern das Gerücht, der Auferstandene, von dem die Jünger behaupteten, er sein ihnen begegnet, sei nur eine optische Täuschung gewesen, eine Einbildung, ein „Gespenst“. Nein, so war es nicht. Hier wird Lukas sehr konkret: Er hatte Fleisch und Knochen. Und schließlich isst er sogar noch ein Stück Fisch, um das zu bekräftigen.
Das gibt uns Rätsel auf. Wir können uns das auch nicht vorstellen. Einerseits ist die Auferstehung Jesu eben nicht so zu denken, wie die Totenauferweckung des Lazarus, der dann vielleicht noch ein paar Jahre gelebt hat, um dann doch wieder zu sterben. Andererseits hatte Jesus eben doch einen irgendwie „materiellen“ Leib. Worum geht es bei der Aussage? Es geht darum, dass Jesus auch nach seiner Auferstehung wahrer Mensch bleibt, einen Leib hat, durch den er mit anderen Menschen in Beziehung treten kann, durch den er auch handeln kann.
Und dann verweist Jesus wieder auf die Schrift und nennt hier die drei Teile des Alten Testaments: Die Bücher Mose, die Propheten und die Schriften, zu denen auch die Psalmen gehören. Vers 45 schreibe ich hier noch mal in der Übersetzung von Friedolin Stier auf: Dann erschloss er ihnen den Sinn (da steht nous, das meint den Verstand, das Erkenntnisvermögen, den Geist) zum Verstehen der Schriften. Dieses Verstehen ist eine Gabe des Auferstandenen, es ist die Gabe des Heiligen Geistes, in dem die Schrift verfasst ist. Dazu muss man sagen, dass nirgendwo in der Schrift wortwörtlich steht, dass der Messias leiden und am dritten Tage auferstehen muss. Diese Wahrheit findet sich verborgen in verschiedenen Schriftstellen, die sich erst aus dem Rückblick als Hinweise auf dieses Geschehen erschließen.
Und jetzt wird den Jüngern ein Auftrag gegeben: Sie sollen Zeugen sein. Sie sollen Zeugen für Jesu Leben, Sterben und Auferstehen sein und sie sollen Zeugen sein für die Umkehr zur Vergebung der Sünden (so ist die wörtliche Übersetzung). Dieser Auftrag ist den Jüngern, ist der Kirche, ist uns gegeben!
Mittwoch der Osteroktav Joh 20, 11-18
Mit den Auferstehungserzählungen im Johannesevangelium verhält es sich wie
mit den sonstigen Abschnitten auch. Mit einer logischen und rein historischen
Rückfrage kommen wir der tiefen Aussage nicht näher. Ich möchte Euch einladen,
das Evangelium von heute wie ein Bild zu betrachten. Tatsächlich ist es ja auch
unzählige Male in der Kunst als Bild dargestellt worden.
Wir sehen eine Frau, Maria von Magdala, die in Trauer weinend an einem Grab
steht. Stellen wir uns das wirklich konkret vor. Es ist ein in Fels gehauenes
Grab, in das man hineingehen kann. Versuchen wir uns daran zu erinnern, wie
sich tiefe Trauer anfühlt, Schmerz, der uns bitterlich weinen lässt.
Dann sehen wir eine leere Stelle, an der der tote Jesus gelegen hat. Diese
leere Stelle wird von zwei Engeln (keine Ahnung, wie wir uns die vorzustellen
haben) markiert. Ich möchte es so ausdrücken: Jesus, tot, zerschunden, hat dort
von Kopf bis Fuß gelegen. Jetzt liegt er nicht mehr da. Nur noch ein paar
Leinentücher erinnern an ihn.
Dann unterhält sich die Frau mit diesen Engeln, als sei es das Normalste von
der Welt, sich mit Engeln zu unterhalten. Sie fragen die Frau: Warum weinst du? Jeder Mensch, der
trauernd an einem Grab steht, wird sich von dieser Frage irritiert fühlen. Ist
es nicht selbstverständlich, warum man an einem frischen Grab weint? Vielleicht
dreht sich Maria deshalb um.
Dann sehen wir da einen Mann stehen. Wo kommt er plötzlich her? Er fragt die
Frau dasselbe: Frau, warum weinst du?
Als gäbe es keinen Grund zu weinen!
Und dann muss ich jedes Mal über Maria lachen. Wenn du ihn weggebracht hast … dann will ich ihn holen. Wer schon
mal einen toten Menschen angezogen und gelagert hat, weiß wie schwer selbst ein
kleiner, abgemagerter Mensch ist. Jesus war weder klein (zumindest nicht, wenn
wir vom Turiner Grabtuch ausgehen), noch abgemagert. Das ist schon eine
ziemlich ver-rückte Vorstellung.
Dann sehen wir zwei Menschen, die sich anschauen und auf einmal erkennen.
Dieser Moment, dieser Augen-blick, in dem zwei Liebende, sich erkennen – das
ist ein einzigartiger, ein intimer Augenblick. Sie nennen sich beim Namen.
Und dann hören wir Jesus sagen: Halte
mich nicht fest! Noli me tangere! Warum nicht? So wie Maria ihren Meister
jetzt sieht, kann sie ihn nicht festhalten. Er wird zum Vater gehen. Es ist
sein Vater, aber auch ihr Vater. Eine ganz neue Dimension von Gemeinschaft, von
Zusammengehörigkeit. Jesus spricht auch von seinem Gott und von ihrem Gott. Es
ist so, als öffne er ihren Blick für eine neue Wirklichkeit, die sich kaum in
Worte fassen lässt.
Wenn wir das Bild noch einmal anschauen, mit all seinen Einzelheiten, sie
betrachten und sie mit dem Herzen bedenken, dann hören wir die Worte Marias an
die Brüder: Ich habe den Herrn gesehen!
Das ist das Entscheidende, das ist die sichere Botschaft, das glaubwürdige
Zeugnis Marias für uns: Ich habe den
Herrn gesehen! Mehr lässt sich von dieser Begegnung nicht mit-teilen. Ich
habe ihn gesehen!
Dienstag der Osteroktav Mt 28, 8-15
Die Leseordnung in dieser Woche ist etwas kompliziert, weil der Ostermontag
nicht überall als Feiertag begangen wird. Bei uns wird heute das
Matthäusevangelium gelesen.
Dem heutigen Evangelienabschnitt geht die Erzählung vom Engel am Grab
voraus, der zu den Frauen sagt: Fürchtet
euch nicht! … Jesus ist auferstanden, wie er gesagt hat. Das Erscheinen des
Engels ist von einem Erdbeben begleitet, Zeichen der Erscheinung Gottes in
diesem Engel.
Die Frauen sind also sowohl von Freude als auch von Furcht ergriffen. Sie
sind erschrocken, sind von Gottesfurcht (wegen des Engels und des Erbebens) und
zugleich von Freude erfüllt und können die Botschaft noch nicht fassen, die sie
empfangen haben.
Da kommt ihnen plötzlich Jesus entgegen. Hier ist das Wort „plötzlich“
wichtig. Sie haben absolut nicht damit gerechnet. Es ist ein völlig
unerwartetes Geschehen. Jesus kommt ihnen entgegen, er bewegt sich auf sie zu,
wie er ihnen früher vielleicht schon öfters entgegengekommen ist. Und er grüßt
sie mit dem ganz normalen Gruß: Chaire -Seid gegrüßt!
Dann kommen drei Bewegungen bei den Frauen: Sie gehen auf ihn zu, sie werfen
sich vor ihm nieder und sie umfassen seine Füße. Die erste Bewegung: Sie gehen
in die Begegnung hinein. Die zweite Bewegung: Sie erweisen Jesus, als dem
Kyrios die größtmögliche Ehre. Das meint das Niederwerfen. Die dritte Bewegung:
Sie umfassen seine Füße, d.h. sie berühren ihn ganz konkret.
Jesus wiederholt das Wort des Engels: Fürchtet
euch nicht! Das ist nicht einfach eine situationsbezogene Aufforderung. Im
Alten Testament finden wir unzählige Stellen, in denen Menschen entweder von
Gott selbst aufgefordert werden, sich nicht zu fürchten, oder von Menschen, die
dazu beauftragt sind. Mit dieser Aufforderung, sich nicht zu fürchten, ist
immer entweder direkt oder indirekt die Zusage Gottes verbunden, dass er mit
dem Menschen ist und ihm hilft. Zwei sehr schöne Beispiele sind Jes 41,10 und
Jes 43,1. Die Leser des Matthäusevangeliums sind sofort an diese vielen Stellen
erinnert und verbinden mit den Worten Jesu diese Zusage. Die Aufforderung Jesu,
sich nicht zu fürchten, will an dieser Stelle sagen: Fürchtet euch nicht, denn
ich, der auferstandene Herr, bin mit euch. Und so sagt er es dann auch zu den
Frauen: Geht und sagt meinen Brüdern, sie
sollen nach Galiläa gehen, und dort werden sie mich sehen. Galiläa ist der
Ort des alltäglichen Lebens mit Jesus, es ist auch der Ort, an dem sie nun
weiter mit ihm leben sollen, wie sie zuvor mit ihm gelebt haben.
Was bedeutet diese Botschaft für uns? Jesus sagt uns: Fürchtet euch nicht,
denn ich bin bei euch. Geht in euren Alltag und lebt dort mit mir und tut, was
ich getan habe!
Der zweite Teil des Evangeliums ist problematisch. Da zeigt sich deutlich,
dass es Gotteswort im Menschenwort ist. Offensichtlich gab es nach der
Auferstehung den Verdacht, die Anhänger Jesu hätten den Leichnam geklaut und
behaupteten nun, Jesus sein auferstanden. Dem will diese Erzählung begegnen.
Leider hat sie aber in der Geschichte antisemitische Tendenzen und Handlungen
in der Kirche verursacht. Das ist schlimm und sehr zu bedauern. Daran zeigt
sich auch, dass niemals ein einzelnes Wort aus dem Zusammenhang gerissen werden
und missdeutet werden darf. In dem Heiligen Geist, in dem die Schrift
geschrieben wurde, muss sie auch gelesen werden.
Ostermontag Lk 24, 13-35
Das Emmausevangelium ist uns allen sehr vertraut. Lukas erzählt uns hier
eine sehr anschauliche Begegnungsgeschichte, in der er uns die Situationen
zeigt, in denen wir Jesus, dem Auferstandenen begegnen können. An den Jüngern
können wir ablesen, was wir tun können, um diese Begegnung zu ermöglichen.
Die beiden Jünger machen sich auf den Weg, sie bleiben nicht in ihrer Trauer
und Enttäuschung hocken, sondern brechen auf. Sie tauschen ihre Gedanken aus,
d.h. sie sind miteinander im Gespräch, sie bleiben nicht in der Vereinzelung.
Sie lassen sich Fragen stellen von einem zunächst Fremden, und sie geben die
Antworten, die sie in dem Moment geben können. Sie schämen sich nicht ihrer
Verwirrung, sondern legen die Gedanken ihres Herzens offen dar, ihre ganze
Enttäuschung und Ratlosigkeit.
Auch als Jesus sie in Frage stellt, lassen sie sich nicht abschrecken: Begreift ihr denn nicht? Wie schwer fällt es
euch, alles zu glauben? Dann legt Jesus ihnen die Schrift aus. D.h. sie
hören auf die Worte der Heiligen Schrift und lassen sich von ihr das erklären,
was sie selbst nicht begreifen können. Aber sie brauchen dazu jemanden, der
ihnen die Schrift auslegt.
Dann bitten sie Jesus, bei ihnen zu bleiben. Es ist auch eine Art der
Gastfreundschaft. Sie nehmen den fremden Wanderer in ihre kleine Gemeinschaft
auf und essen zusammen mit ihm. Auch hier ist die gemeinsame Mahlzeit ein
Zeichen für die Gemeinschaft, die zwischen ihnen gewachsen ist. Und dann bricht
Jesus ihnen das Brot und reicht es ihnen, wie er es so oft getan hat. Daran
erkennen sie ihren Herrn.
Es brannte ihnen das Herz in der Brust. Sie haben sich dieser Begegnung
wirklich geöffnet, sind nicht in kritischer Distanz geblieben, sondern haben
sich eingelassen. Es ist zu einer Begegnung der Herzen bekommen. Ohne diese
tiefe Begegnung kann es nicht zum Glauben kommen. Erst durch die Begegnung der
Herzen wird unser Leben verwandelt.
Sie brechen auf, um die große Freude, die ihnen geschenkt worden ist, mit
den Menschen zu teilen, die ihnen nahestehen, die auch mit Jesus auf dem Weg
waren und die jetzt auch um ihn trauern.
Hier legt uns Lukas dar, was die Kirche als Gemeinschaft ausmacht. Sie ist
Weggemeinschaft und Gesprächsgemeinschaft. Sie ist die Gemeinschaft, in der die
Heilige Schrift gelesen und ausgelegt wird. Sie ist die Gemeinschaft, in der
das Brot gebrochen wird, in der Eucharistie gefeiert wird. Und sie ist die
Gemeinschaft, in der einer dem anderen Zeugnis gibt von dem, was er / sie mit
Christus erlebt hat. So jedenfalls ist Kirche gemeint und je mehr sie es wird,
umso mehr wird sie den Auferstandenen bezeugen können. So kann Kirche auch
heute missionarisch sein.
Zu den Osterevangelien
Wir werden in der Osterwoche die verschiedenen Berichte über die Erscheinung des Auferstandenen vor seinen Jüngern lesen. Diese Berichte wollen uns die Botschaft von der Auferstehung Jesu in diesen Begegnungsgeschichten nahebringen. Die Begegnung der Jünger mit dem Auferstandenen ist das Fundament unseres Glaubens. Darauf gründet der christliche Glaube, der sich dann im Rückblick auf das Leben Jesu zu klären begann. So sind die Ostererzählungen als Glaubenszeugnisse zu lesen, die Wesentliches über die Botschaft der Auferstehung Jesu, über seine Beziehung zu seinen Jüngern und Jüngerinnen und über den Auftrag sagen, den er ihnen anvertraute.
Das Urevangelium, also die früheste schriftliche Form der Botschaft von der Auferstehung finden wir bei Paulus im ersten Brief an die Korinther:
Denn vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift, und ist begraben worden. Er ist am dritten Tage auferweckt worden, gemäß der Schrift, und erschien dem Kephas, dann den Zwölf (1 Kor 15,3-5).
Die Ostererzählungen fassen diese knappe Formel in Erzählungen, in denen sich etwas von den lebendigen Begegnungen mit dem Auferstandenen wiederspiegelt.
Ostersonntag Joh 20, 1-9
Am Morgen nach dem Sabbat macht sich Maria von Magdala, die die zwei vorhergehenden Tage in tiefer Trauen, in Schmerz und Tränen verbracht hat und tut das, was Frauen tun, die einen geliebten Menschen an den Tod verloren haben. Sie sucht einen Ort auf, an dem sie ihm nahe sein kann, und das ist das Grab. Maria ist eine Frau der Beziehung, Freundschaft und Liebe.
Sie kommt zum Grab und sieht, dass der Stein weggerollt ist. Das erschreckt sie, verwirrt sie, ängstigt sie. Sie denkt sofort, dass jemand den Leichnam gestohlen hat. Maria geht nicht näher an das Grab heran, sondern läuft zu Petrus und Johannes (wir gehen davon aus, dass er hier gemeint ist) und berichtet ihnen, was sie entdeckt hat. Auch hier geht Maria in die Beziehung und Begegnung, sie sucht Menschen auf, die ihr und Jesus nahestehen.
Die beiden Männer laufen jetzt zum Grab, offensichtlich recht schnell. Johannes beugt sich als erster in das Grab und schaut. Das ist wichtig: Er schaut hin und nimmt wahr, weiter tut er nichts. Petrus geht dann in das Grab hinein, er wagt es, den Raum des Todes zu betreten und will ergründen, was geschehen ist. Im zweiten Schritt folgt ihm Johannes.
Im Grab liegen die Leinenbinden und das Schweißtuch, das auf dem Gesicht Jesu gelegen hat. Alles ist ordentlich hinterlassen. Was sagt das über die Auferstehung Jesu? Es ist nicht eine Auferweckung wie bei Lazarus, der mit samt Leinenbinden aus dem Grab gekommen ist, sodass sie ihm erst noch abgewickelt werden mussten. Jesus ist offensichtlich hier selbst der Handelnde gewesen. Es zeigt auch, dass die Auferstehung kein erschreckendes Ereignis war sondern mehr etwas wie ein Erwachen und Aufstehen. Und vor allem sagt es, dass der Leichnam nicht gestohlen worden ist, denn dann hätte man nicht vorher ordentlich die Leinenbinden abgewickelt und zusammengefaltet. Das ist die erste zentrale Aussage: der Leichnam Jesu ist nicht gestohlen worden!
Die zweite zentrale Aussage folgt: Er sah und glaubte. Das Sehen, Wahrnehmen, Bedenken, im Herzen Bewegen dessen, was geschieht, führt zum Glauben. Der Glaube kommt vom Hören und vom Sehen. Wir dürfen unseren Ohren und Augen trauen, wenn wir die Botschaft, die uns die Ohren- und Augenzeugen vermitteln, im Herzen bedenken.
Karsamstag
Am Karsamstag wird kein Evangelium verkündet. Jesus ist am Kreuz gestorben
und liegt im Grab. Wenn Jesus nicht von den Toten auferstanden wäre, hätten wir überhaupt kein
Evangelium zu verkünden.
Karfreitag Joh 18, 1 - 19,
42
Heute hören wir die Leidensgeschichte aus dem Johannesevangelium. Ich möchte
mich hier im Wesentlichen auf die Worte beschränken, die Jesus von seiner
Verhaftung bis zu seinem Tod spricht. Im Schott sind die entsprechenden Verse
mit einem + Kreuz gekennzeichnet.
V 18,4: Wen sucht ihr?
V 5. Ich bin es.
V7: Wen sucht ihr?
V8: Ich habe euch gesagt, dass ich es
bin. Wenn ihr mich sucht, dann lasst diese gehen.
Zweimal fragt Jesus die, die kommen, um ihn gefangen zu nehmen „Wen sucht
ihr?“ Er kehrt die Rollen um. Normalerweise wären es die Soldaten und
Gerichtsdiener, die hier Fragen stellen, aber Jesus kehrt die Situation um. Er
ist nicht in der Opferrolle, er hat die Situation in der Hand.
V11: Steck das Schwert in die Scheide!
Der Kelch, den mir der Vater gegeben hat – soll ich ihn nicht trinken?
Jesus ist der Herr der Situation, er gibt noch Anweisungen an seine Jünger.
Es ist seine freie Entscheidung, den Willen des Vaters zu tun. Auch hier ist er
nicht das Opfer, auch nicht das des Vaters, sondern er stimmt mit dem Willen
das Vaters überein.
V20: Ich habe vor aller Welt
gesprochen. Ich habe immer in der Synagoge und im Tempel gelehrt, wo alle Juden
zusammenkommen. Nichts habe ich im geheimen gesprochen. Warum fragst du mich?
Frag doch die, die mich gehört haben, was ich zu ihnen gesagt habe; sie wissen,
was ich geredet habe.
Hier spricht Jesus mit dem Hohenpriester, der höchsten Autorität des
Judentums. Aber er stellt ihn zur Rede, er beugt sich nicht vor einer
menschlichen Autorität. Dafür schlägt ihn ein Knecht des Hohenpriesters ins
Gesicht. Dieser Knecht hätte es selbst niemals gewagt, so mit dem Hohenpriester
zu sprechen. Deshalb entlädt sich seine Wut gegen diesen souveränen Gefangenen.
V23: Wenn es nicht recht war, was ich
gesagt habe, dann weise es nach; wenn es aber recht war, warum schlägst du
mich?
Hat Jesus nicht in der Bergpredigt gesagt: Wenn dich einer auf die eine Wange schlägt, dann halte ihm auch die
andere hin? Genau das tut er hier nicht – und so hat er es auch nicht
gemeint! Er stellt den Knecht zur Rede, er ist nicht in der Opferrolle und
lässt sich auch nicht in die Opferrolle prügeln. Ob der Knecht daraufhin
nochmal zugeschlagen hat, steht hier nicht, ist aber denkbar.
V34: Sagst du das von dir aus oder
haben es dir andere über mich gesagt?
Hier spricht Jesus mit Pilatus, dem Statthalter der Römer. Und auch ihn
stellt er zur Rede. Jesus lässt sich nicht verhören, er fragt in aller Freiheit
zurück, um sein Gegenüber mit seiner eigenen Wahrheit zu konfrontieren. Jesus
gibt nicht klein bei.
V36: Mein Königtum ist nicht von
dieser Welt. Wenn es von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit
ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Aber mein Königtum ist nicht von hier.
Jetzt gibt sich Jesus vor aller Welt – nämlich vor dem römischen Statthalter
- zu erkennen und legt Zeugnis für sein Königtum ab. Erinnern wir uns noch mal
an das, was einen König ausmacht: Er ist ein Hirt und kümmert sich um sein
Volk; er sorgt für die, die nicht selbst für sich sorgen können: die Witwen und
Waisen. Er spricht Recht und sieht dabei nicht auf das Ansehen der Person. Er
ist dem Herrn seinem Gott treu und lebt nach seinen Geboten, damit es ihm und
seinem Volk gut geht, im Land der Verheißung. Jesus sagt, dass er dieser König
ist. Aber sein Königtum ist nicht von dieser Welt, d.h. es verwirklicht sich
nicht durch die Mittel dieser Welt und es zeigt sich auch nicht unter den
königlichen Zeichen, dieser Welt.
V37: Du sagst es, ich bin ein König.
Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit
Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.
Das Königtum Jesu ist auf Wahrheit gegründet, nicht auf Trug. Es ist wirklich
das, was es zu sein beansprucht. Von dieser Wahrheit legt Jesus bis heute
Zeugnis ab und jeder, der für diese Wahrheit offen ist, hört auf seine Stimme.
Kein einziges Königtum dieser Welt, kein einziges Herrschaftssystem in dieser
Welt hat je auf Dauer Bestand. Noch nie hat ein Unrechtsregime Bestand gehabt.
Das Königtum Jesu aber, das nicht von dieser Welt ist, hat Bestand. Wenn sich
sein Königtum mit irdischer Macht bekleidet, wird es keinen Bestand haben.
V19,11: Du hättest keine Macht über
mich, wenn sie dir nicht von oben gegeben wäre; darum liegt größere Schuld bei
dem, der mich dir ausgeliefert hat.
Das ist ein sehr schwieriges Wort, weil es im Laufe der Geschichte oft
missverstanden und missbraucht worden ist. Es wurde so ausgelegt, dass weltliche
Macht von Gott verliehen ist und das wurde zum Instrument von Unterdrückung und
Unrecht. Das Wort Jesu ist wohl genau auf seine Situation zu deuten und will
sagen, dass Jesus eben nicht das Opfer des Pilatus ist, sondern dass er den
Heilsweg geht, der dem Willen Gottes entspricht.
Mir stellt sich die Frage, wie der zweite Satz zu verstehen ist. Gilt nicht
das, was für Pilatus gilt, auch für Judas? Ich habe noch keine Antwort darauf.
Es ist wieder dieses Ineinander von Gottes Plan und menschlicher Schuld.
V17: Er trug sein Kreuz und ging
hinaus zur sogenannten Schädelhöhe, die auf Hebräisch Golgota heißt.
Dieser Vers zeigt auch, dass Jesus das Kreuz selbst auf sich nimmt. Es wird
ihm nicht aufgelegt, sondern, er nimmt es selbst. Und er geht seinen Weg selbst.
V26: Als Jesus seine Mutter sah und
bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: Frau, siehe dein
Sohn!
Nach den drei anderen Evangelien ist Jesus mutterseelenallein am Kreuz
gestorben. Johannes berichtet, dass drei Marias bei seinem Kreuz standen: Seine
Mutter, die Frau des Klopas und Maria aus Magdala. Außerdem der Jünger, den er
liebte. Nach Johannes gab es diese Menschen, die Jesus nicht allein gelassen
haben – drei Frauen und ein Mann.
Jesus bildet vom Kreuz aus eine neue Familie. Er verbindet seine Mutter mit
seinem Jünger in neuen verwandtschaftlichen Banden, die gegenseitige Fürsorge
und Verantwortung bedeuten. Jesus hat widerholt gegen die traditionellen
Familienbande gesprochen. Die Zugehörigkeit zu ihm schafft eine neue Familie.
Als diese Familie sieht sich die Kirche. Damit wird auch schon deutlich, dass
es vom Kreuz Christi her gesehen, keine konfessionellen Schranken geben kann.
Alle, die an Jesus glauben, sind seine Familie.
V27: Dann sagte er zu dem Jünger:
Siehe deine Mutter!
V28: Mich dürstet.
Über dieses Wort Jesu ist viel gebetet, nachgedacht und geschrieben worden.
Der Durst Jesu am Kreuz – sein Verlangen, sein existentielles Verlangen danach,
das Heil der Welt zu erwirken, seine Sehnsucht nach Menschen, die an ihn
glauben, seine Sehnsucht, wieder mit dem Vater vereint zu sein … Am Kreuz hat
er diesen furchtbaren Durst auch rein körperlich erlitten.
V30: Es ist vollbracht!
Jesus hat vollbracht, wozu er gesandt wurde. Aber hier sagt er nicht: Ich
habe es vollbracht, sondern: Es ist
vollbracht. Es ist das göttliche Passiv, Gott hat vollbracht, wozu er Jesus
in die Welt gesandt hat: Denn Gott hat
die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der
an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern, das ewige Leben hat (Joh 3,16)
Gründonnerstag Joh 13, 1-15
Das Evangelium des Gründonnerstags ist das Evangelium von der Fußwaschung.
Johannes sagt zu Anfang nur kurz, dass ein Mahl stattfand. Dann erwähnt er,
dass Judas bereits plant, Jesus auszuliefern. Der Teufel ist der, der ihm das
eingegeben hat. Der Widersacher Gottes ist beteiligt. So wird uns klar, dass es
hier nicht um eine rein zwischenmenschliche Problematik geht, sondern, dass es
um einen Kampf zwischen Gott und den Mächten des Bösen geht.
Im krassen Gegensatz steht die nächste Aussage: Jesus ist sich seiner
göttlichen Herkunft und Vollmacht bewusst und hat auch schon vor Augen, dass er
zum Vater zurückkehren wird. Licht und Dunkel begegnen sich in der Intimität
des engsten Jüngerkreises.
Jesus, dieser göttliche Mensch, der sich seiner göttlichen Herkunft bewusst
ist, übernimmt nun einen Sklavendienst und beginnt, seinen Jüngern die Füße zu
waschen. Einen größeren Gegensatz kann man sich kaum vorstellen. Wenn Paulus
später über den Kreuzestod Jesu sagt, er sei den Juden ein Ärgernis und den
Heiden eine Torheit (1 Kor 1,23), dann gilt das auch schon für die Fußwaschung.
Jesus stellt alle Vorstellungen, die weltlichen und die religiösen, auf den
Kopf. Das empfinden auch die Jünger so. Und so reagiert Petrus auch: Du, Herr, willst mir die Füße waschen? Niemals!
Die Antwort Jesu ist doppeldeutig und erst von der Kreuzigung her zu
verstehen. Wenn ich dich nicht wasche,
hast du keinen Anteil an mir. Das Waschen der Füße ist hier nur ein Symbol
für das eigentliche Abwaschen der Sünden durch sein Blut am Kreuz. Durch den
Kreuzestod Jesu, erhalten wir Anteil an ihm, an seinem göttlichen Leben!
Das ist das unfassbare Geheimnis der Erlösung. Wir werden nicht nur von
etwas erlöst, von unseren Sünden, sondern auch auf für etwas erlöst:
Erlöst zur Teilhabe am Leben des Sohnes Gottes in Ewigkeit.
Auch wenn Petrus hier noch nicht versteht, was diese Teilhabe bedeutet,
verlangt er danach, ganz zu Jesus zu gehören und will nun ganz von ihm
gewaschen werden. Darauf folgt das rätselhafte Wort vom Bad, das ganz rein
macht. Hier haben wir es wohl mit johanneischer Theologie zu tun, die auf die
Taufe anspielt.
Nachdem Jesus seinen Jüngern die Füße gewaschen hat (was nicht mit der
rituellen Fußwaschung zu vergleichen ist, die heute in den Gottesdiensten
praktiziert wird!), erteilt er ihnen eine Lehre im besten Sinne des Wortes. Begreift ihr, was ich an euch getan habe?
Ich bin der Herr und Meister und habe euch diesen Dienst erwiesen. Wenn ihr
meine Schüler sein wollt (die Frage, ob wir das sein wollen, haben wir uns
schon am Anfang der Fastenzeit gestellt), dann
handelt, wie ich an euch gehandelt habe. Das ist göttliches Handeln.
Die wahren Jünger und Jüngerinnen Christi erkennen wir an der Bereitschaft,
Füße zu waschen. Unsere Kirche ist in dem Maße Kirche Jesu Christi, in dem sie
bereit ist, Füße zu waschen. Unser Papst lebt uns das derzeit in überzeugender,
provozierender, prophetischer Weise vor.
Gott ist die Liebe, schon immer und in Ewigkeit, und Jesus hat uns Gott so
nahegebracht, dass wir tatsächlich so handeln können wie er. Jesus ist der
unvergleichliche Interpret Gottes in dieser Welt.
Mittwoch in der Karwoche Mt 26, 14-25
Heute schauen wir auf den Verrat durch Judas. Judas ist als Verräter Jesu in
die Geschichte eingegangen und da er einen Namen hat und eine konkrete Person
aus dem Kreis der Zwölf war, steht er als „Einzeltäter“ vor uns und wir alle
distanzieren uns von ihm. Ist das aber gerechtfertigt? Will uns der Evangelist
– heute lesen wir bei Matthäus – nicht eigentlich etwas anderes sagen?
Wir hatten schon gesehen, dass es bis in den engsten Kreis um Jesus Licht
und Dunkel, Liebe und Hass gibt. Vielleicht ist das Wort Hass zu stark. Aber
kennen wir nicht alle Beispiele dafür, dass Liebe tatsächlich in vernichtenden
Hass umschlagen kann? Wir wissen nicht wirklich, welches Motiv Judas hatte, um
Jesus an die Hohenpriester auszuliefern. Matthäus legt auch die Habgier als Antrieb
nahe, weil er von den 30 Silberstücken spricht. Andere vermuten, dass Judas ein
Zelot war und zu den Waffen greifen wollte. Er hätte demnach die Absicht
gehabt, Jesus dazu zu treiben, sich als Messias zu offenbaren, sodass der Kampf
beginnen könnte. Wir müssen aber sagen, dass wir seine Beweggründe nicht
wirklich kennen.
Der Evangelist bietet hier noch ein anderes, etwas verstecktes Motiv. Alle
Jünger sind betroffen von der Ankündigung Jesu, dass einer von ihnen, ihn
verraten werde. Sie fragen: Bin ich es
etwa, Herr? Sie sprechen Jesus mit dem Ehrentitel „Kyrios“ an und bekennen
ihn damit als ihren Herrn. Judas fragt auch, aber er spricht Jesus nur mit Rabbi an. Damit gibt er Jesus nicht die
herausragende Stellung, die ihm die anderen Jünger geben. Hat Judas sich
eigentlich schon aus dem innersten Kreis der Jünger zurückgezogen? Ist er von
Jesus enttäuscht? Ist Jesus nur ein Rabbi unter anderen für ihn? Es ist eine
Distanz zwischen Judas und Jesus entstanden, obschon Judas noch gemeinsam mit
Jesus aus einer Schüssel ist. Das gemeinsame Mahl ist ein Zeichen von
friedlicher Verbundenheit, es schließt Feindschaft aus, aber im Herzes des
Judas gärt sie schon.
Und dann steht da das Wort Jesu: Der
Menschensohn muss zwar seinen Weg gehen, wie die Schrift über ihn sagt. Doch
weh dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird. Für ihn wäre es
besser, wenn er nie geboren wäre. Aus diesen Worten wird das für uns nicht
zu entschlüsselnde Ineinander von Gottes Plan und menschlicher Schuld deutlich.
Es ist von Gott her (deshalb steht es in der Schrift) so bestimmt, dass der
Menschensohn leiden und sterben wird. Und dennoch spielt auch die menschliche
Schuld eine Rolle. Warum es für den Verräter besser wäre, nicht geboren zu
sein, wird nicht gesagt. Ist es seine eigene Verzweiflung, die sich im
Selbstmord des Judas zeigt? Ist es eine mögliche Strafe, die droht? Wir wissen
es nicht.
Schon in der frühen Kirche gab es Verleugnung und Verrat und es gibt ihn
auch heute. Kann ich mich davon freisprechen? Wäre nicht auch ich dazu in der
Lage, wenn die Umstände mich unter Druck setzten? So wie in uns allen ein
feiger Petrus steckt, steckt auch ein zum Verrat fähiger Judas in uns.
An einem Säulenkapitell in der romanischen Basilika in Vézelay (Frankreich),
hat ein Steinmetzt eine ganz außergewöhnliche Szene dargestellt. Der
auferstandene Jesus, der noch an der durch den Schlag geschwollenen Wange zu
erkennen ist, trägt wie ein Hirt sein Schaf, den toten Judas auf den Schultern.
Judas liegt ergeben auf den Schultern seines Herrn und trägt im Gesicht den
Ausdruck des Friedens. Das ist die gläubige Hoffnung eines Menschen, der die
barmherzige Liebe unseres Erlösers bis zum Äußersten denkt.
Dienstag in der Karwoche Joh 13, 21-33.36-38
Dieser Abschnitt aus dem 13. Kapitel des Johannesevangeliums folgt auf die
Fußwaschung. Die Jünger sind mit Jesus zusammen und es ist eine intime
Situation entstanden. Jesus hat seinen Jüngern die Füße gewaschen und damit ein
Beispiel gegeben, wie sie einander dienen sollen. Johannes berichtet uns nicht
von einem letzten Abendmahl, sondern von dieser Fußwaschung. Das Thema der
Eucharistie behandelt er im 6. Kapitel im Anschluss an die Brotvermehrung.
In den Versen, die wir heute lesen, wird die Ambivalenz von Nähe und
Distanz, von Liebe und Hass deutlich. Der Evangelist zeigt uns, dass wir uns Jesus gegenüber nicht
neutral verhalten können. Das wird im ganzen Johannesevangelium immer wieder
deutlich. Da sind die Anhänger Jesu und seine Gegner. Und das reicht bis in den
engsten Jüngerkreis.
Uns wird hier der „Lieblingsjünger“ Jesu, der nach der Tradition Johannes
selbst sein soll, gezeigt. Er liegt beim Mahl neben Jesus, sein Kopf ganz nah
bei ihm. So kann er sich an seine Brust lehnen und Jesus in ganz vertrauter
Weise etwas fragen. Diese Szene ist oft in der Kunst dargestellt worden als die
sogenannte „Johannesminne“. Der Lieblingsjünger sitzt (in der Kunst eben
meistens sitzend und nicht liegend) neben Jesus und lehnt seinen Kopf an dessen
Brust. Beide sind innig miteinander verbunden. Dieses Bild hat auch eine tiefe
Bedeutung, genau wie die Salbung in Betanien. Jüngerschaft ist mit dieser
innigen Beziehung zu Jesus verbunden. Seinen Kopf an die Brust eines Menschen
zu legen, heißt auch, seinen Herzschlag zu hören. Der innige Jünger hört auf
den Herzschlag Jesu.
Der Gegenspieler ist Judas. Er hat auch zunächst eine große Nähe zu Jesus.
Sie essen aus der gleichen Schüssel und Jesus reicht ihm noch ein Stück Brot.
Dann steht dort, dass der Satan in ihn fährt. Wir haben schon erfahren, dass
der Satan als Personifizierung der Gott entgegenstehenden Kräfte in dieser Welt
gilt. Er ist der Widersacher Gottes. Im Johannesevangelium werden Judas
unlautere Motive, näher sogar Habgier unterstellt. Ob das wirklich sein Motiv
bei der Überlieferung Jesu an seine Gegner war, wage ich zu bezweifeln. Die
anderen Evangelien stellen es nicht so dar. Tatsächlich kann Habgier von Gott
trennen, aber es ist nur ein Motiv unter anderen. In V 30 heißt es nachdem
Judas den Raum verlassen hatte: Es war
aber Nacht. Das ist nicht nur eine Zeitangabe, sondern hat mit der Symbolik
des Johannesevangeliums zu tun. Die Nacht steht im Gegensatz zum Tag für die
von Gott abgekehrte, dem Satan gehörige Stunde.
Dann spricht Jesus wieder von der Verherrlichung Gottes und seiner selbst.
Wir wissen schon, dass es sich dabei im den Kreuzestod Jesu handelt, der schon
ganz im Licht von Ostern erscheint, als Durchgang in die Herrlichkeit Gottes.
Dorthin können die Jünger noch nicht folgen. Auch der Heißsporn Petrus
nicht. Die Jünger verstehen aber genauso wenig wie die Gegner Jesu, was Jesus
hier meint. Erst im Rückblick von Ostern her wird es sich erschließen und das
ganze Evangelium ist ja aus dieser Perspektive geschrieben.
Selbst bei denen, die Jesus wirklich lieben, gibt es den Kampf zwischen
Licht und Finsternis. Auch Petrus wird versagen und seinen geliebten Herrn und
Meister verraten. Noch ehe der Hahn
kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Diese bittere Stunde wird für
Petrus zusammen mit der Begegnung mit dem Auferstandenen am See von Galiläa
seine Bekehrung bewirken. So wie Petrus Jesus jetzt dreimal verleugnet, wird er
ihm dann dreimal sagen: Du weißt Herr,
dass ich dich liebe (Joh 21, 15-19).
Montag in der Karwoche Joh 12, 1-11
Sechs Tage vor dem Paschafest heißt auch sechs Tage vor Jesu Tod. Jesus, der
nach dem Evangelisten Johannes mehrmals nach Jerusalem kommt, ist wieder in der
Nähe der Stadt. Er wohnt bei seinen Freunden, bei Maria, Martha und Lazarus.
Für diese drei Freunde Jesu gibt es übrigens im benediktinischen Festkalender
einen eigenen Festtag. Auch bei Lukas
tauchen diese drei Freunde auf in der berühmten Perikope, in der sich Martha
abrackert und Maria sich einfach zu Füßen Jesu setzt und ihm zuhört.
Hier tritt Maria noch durch ein anderes Tun aus dem Verborgenen ans Licht:
Sie kommt, während Jesus mit den Männern bei Tisch liegt (sie saßen ja nicht
auf Stühlen, sondern lagen auf Polstern) und salbt ihn mit einem unglaublich
kostbaren Öl die Füße. Ein Pfund kostbares Nardenöl – das ist eine Mitgift, die sich in Geld
umsetzen lässt, wenn es mal eng werden sollte. Maria verschwendet diese
Kostbarkeit an Jesus und das ist ein Ausdruck ihrer großen Liebe zu ihm. Maria
liebt ihren Freund, der ein so guter Mensch ist, der so liebevoll begegnet, der
sich auch Frauen mit Ehrfurcht und Aufmerksamkeit zuwendet. Und Jesus lässt
diese Geste der Liebe zu. Das Salben von Ehrengästen war im Orient übrigens
durchaus üblich, allerdings wurde dann der Kopf gesalbt und nicht die Füße.
Hier wird Judas in denkbar schlechtes Licht gerückt und muss dafür
herhalten, diese Verschwendung anzuprangern. Bei Markus heißt es, dass einige
unwillig wurden – also nicht nur Judas - und sich über die Verschwendung
beklagen (Mk 14,4f.), wie wir es gestern im Passionsbericht gehört haben. Auf jeden Fall muss sich Maria diesen Vorwurf
gefallen lassen.
Diese Liebestat Marias, die wirklich eine Verschwendung ist, wenn man sie
rein pragmatisch sieht, wird oft als Bild für das kontemplative Leben genommen.
Solche Verschwendung – man könnte doch Sinnvolleres tun, als so viel zu beten!
Jesus sieht das anders. Er sagt, dass diese Salbung durch Maria zu diesem
Zeitpunkt einen tiefen Sinn hat: Sie salbt seinen Leib schon jetzt für das
Begräbnis. Nach seinem Tod wird ihm diese Liebestat niemand mehr gewähren
können. Die Frauen (es sind auch hier wieder die Frauen!) eilen am frühen
Morgen des Sonntags zum Grab und wollen diese Salbung noch nachholen, aber da
finden sie den Leichnam Jesu schon nicht mehr …
Jesus sagt: Die Armen habt ihr immer
bei euch, mich aber habt ihr nicht immer bei euch. Das ist die Situation
der Kirche nach Ostern. Nachdem Jesus sich als der von den Toten Auferstandene
zu erkennen gibt, wird er den direkten Blicken entschwinden. Von da an sind die
Armen der Ort, sind die Armen die Menschen, in denen wir Christus zuerst
begegnen können (dabei gibt es sehr viele Arten von Armut!). Mutter Teresa hat
tief aus diesem Geheimnis gelebt und die Armen mit der Liebe geliebt, die hier
Maria Jesus erweist.
Es gibt nur eine Liebe. Die Liebe ist nicht geteilt. Wem durch den Heiligen
Geist die Liebe Gottes, die Liebe zu Christus ins Herz gelegt wird (vgl. Röm
5,5), der schenkt diese Liebe auch den Armen.
Palmsonntag Mk 11, 1-10
Am Palmsonntag hören wir zuerst zu Beginn der Feier das Evangelium vom Einzug Jesu in Jerusalem und dann an der Stelle der normalen Evangeliumsverkündigung den Passsionsbericht, in diesem Jahr nach dem Evangelisten Markus. Ich beziehe mich hier auf das Evangelium von Einzug Jesu in Jerusalem.
Wir kennen diesen Bericht nur vom Palmsonntag und da steht er eben immer in direktem Zusammenhang mit der Leidensgeschichte. Im Markusevangelium geschieht der Einzug in Jerusalem allerdings einige Tage vor dem Tod Jesu und die Situation eskaliert erst anschließend.
Jesus war schon seit längerer Zeit auf dem Weg nach Jerusalem und hatte seinen Jüngern unterwegs dreimal seinen bevorstehenden Tod angekündigt. Die Jünger haben dies jedoch nicht verstanden. Das wird besonders bei Markus deutlich. Nun nähert sich Jesus also der heiligen Stadt und da begibt sich diese Szene, die von allen vier Evangelisten überliefert wird. Gewöhnlich stellen wir uns vor, dass Jesus in Jerusalem mit großem Hallo begrüßt worden sei und sich so ungefähr die halbe Stadt einfindet, um ihn, der auf dem Esel reitet zu begrüßen. Das ist aber weit gefehlt. Jesus kommt mit seinen Jüngern und einer recht großen aber bestimmt nicht riesigen Menge von Anhängern und Anhängerinnen.
Es wird von dieser eigentümlichen Szene berichtet. Jesus schickt seine Jünger voraus, um einen jungen Esel zu holen, der an einem bestimmten Haus angebunden steht. Hier erscheint Jesus tatsächlich als einer, der Dinge voraussehen kann und weiß, die Menschen normalerweise nicht wissen können. Und seine Anweisung an die Jünger macht einen sehr hoheitlichen Eindruck. Jesus tritt uns hier wirklich als der messianische Gesandte Gottes entgegen. Er ist aber auch wieder ganz der Prophet, der eine Zeichenhandlung vollzieht. Das Reiten auf einem jungen Esel und der Einzug in die Davidsstadt ist eine klare Anspielung auf Sacharja 9,9f.: Juble laut Tochter Zion! Jauchze Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist gerecht und hilft; er ist demütig und reitet auf einem Esel, auf einem Fohlen, dem Jungen einer Eselin. … Er verkündet für die Völker den Frieden. Jesus nimmt für sich in Anspruch, dieser demütige König zu sein, der den Frieden bringt. Allerdings ist die Anspielung auch missverständlich und wird tatsächlich missverstanden. Jesus ist eben nicht der Nachfolger Davids, der wieder eine irdische Königsherrschaft errichten wird. Das hat er auch immer deutlich gemacht. Dennoch erhoffen das auch seine Jünger und Anhänger.
Wir müssen uns eine überschaubare Schar von Männern und Frauen, vielleicht auch Kindern vorstellen, die jetzt ihre Kleider auf der Straße ausbreiten, um den Weg für den König zu bereiten und Äste von den Büschen am Weg abbrechen, um dem Messias zu huldigen. Sie rufen das, was in Ps 118 steht: Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn! … Mit Zweigen in den Händen schließt euch zusammen im Reigen (Ps 118,26f). Jesus selbst hat diese Situation provoziert mit seinem Einzug auf einem Esel. Jetzt verbietet er nicht mehr, ihn als Messias zu bezeichnen, jetzt lässt er es zu – im Wissen, dass die Erwartungen radikal enttäuscht werden.
Wenn wir am Beginn der heutigen Messfeier mit Zweigen in den Händen und Hosanna singend in die Kirche einziehen, dann wird die Liturgie zum „heiligen Spiel“, in dem wir Jesus als unserem König und Messias huldigen, im Wissen darum, dass er es durch Kreuz und Auferstehung hindurch in einer alles überbietenden Weise geworden ist.
In Jerusalem fiel die Gruppe um diesen auf dem Esel reitenden Rabbi gar nicht so sehr ins Auge. Die Stadt war schon voller Pilger, die zum Paschafest anreisten. Das prophetische Zeichen, das Jesus gesetzt hatte, galt seinen Jüngern und Anhängern. Sie sollten trotz der Ereignisse, die geschehen würden, glauben, dass er der ist, für den sie ihn gehalten haben. Im Johannesevangelium steht an dieser Stelle dann auch: Das alles verstanden seine Jünger zunächst nicht: als Jesus aber verherrlicht war, da wurde ihnen bewusst, dass es so über ihn geschrieben stand (Joh 12,16).
Bei Markus heißt es nach dem Bericht über Jesu Einzug in Jerusalem lapidar: Nachdem er sich alles angesehen hatte, ging er spät am Abend mit den Zwölf nach Bethanien hinaus (um dort zu Übernachten).
Samstag der 5. Fastenwoche Joh 11, 45-57
Das heutige Evangelium schließt an die Auferweckung des Lazarus an. Viele
Juden waren durch dieses Geschehen zum Glauben an Jesus gekommen. Sie glaubten
aufgrund der Erfahrung, die sie mit ihm gemacht hatten, daran, dass Gott in ihm
am Werk ist.
Dir Pharisäer geraten zunehmend unter Druck und in die Isolation. Sie selbst
wollen seinen Zeichen nicht glauben und erst recht wollen sie nicht, dass sich
das Volk im anschließt. Hier werden jetzt auch die Befürchtungen genannt. Auf
den Punkt gebracht lauten sie: Angst vor Machtverlust und wohl auch vor Verlust
der eigenen religiösen Identität, die sich am Tempel und an der Stadt Jerusalem
festmacht.
Jetzt kommt ein ganz zentrales Thema ins Wort: Jesus wird für andere sterben (V 50.52). Der
Evangelist betont, dass Kajaphas das in prophetischer Eingebung sagt. Seine
Worte sind eine Botschaft von Gott. Sie haben einen tieferen Sinn, der dem
Kajaphas selbst noch verborgen ist. Es geht um die „Proexistenz“, den
stellvertretenden Tod Jesu, durch den er die Erlösung nicht nur der Juden,
sondern der „versprengten Kinder Gottes“ wirkt.
Der Gedanke des stellvertretenden Sterbens Jesu wird uns in der Heiligen
Woche noch mehrfach begegnen. Ein ganz zentraler Text, der auch am Karfreitag
gelesen wird, ist das vierte Lied vom Gottesknecht aus Jes 52,13 – 53,12.
Danach wird von diesem Gottesknecht gesagt, dass er unsere Krankheiten getragen
hat, wegen unserer Verbreche durchbohrt wurde und der Herr die Schuld von uns
allen auf ihn lud. Diesen zentralen Gedanken hat Paulus dann aufgegriffen und
reflektiert. So heißt es in 2 Kor 5,14f.: Denn
die Liebe Christi drängt uns, da wir erkannt haben: Einer ist für alle
gestorben, also sind alle gestorben. Er ist aber für alle gestorben, damit die
Lebenden nicht mehr für sich leben, sondern für den, der für sie starb und
auferweckt wurde.
Jesus ist also für uns gestorben, damit wir umgekehrt für ihn leben. Wir
sind erlöst, um als Erlöste für ihn in dieser Welt zu leben und sein
Erlösungswerk (die Heilung und Heiligung der Welt im Konkreten) fortzusetzen.
Das ist uns nur möglich, weil wir in der Taufe mit Jesus so tief verbunden
wurden, dass wir tatsächlich Anteil haben an seinem Leben. Das ist in sehr
verkürzter Weise eine ganz zentrale Aussage unseres Glaubens, die nur sehr
wenig bedacht wird. Die Gründerin der Benediktinerinnen vom Heiligsten
Sakrament, Mechtilde des Bar, spitzt es so zu: Werdet Jesus Christus! Das ist keine Blasphemie, sondern die
Konsequenz aus unserer Taufe.
Freitag der 5. Fastenwoche Joh 10, 31-42
Das Evangelium heute beginnt wie das gestrige endete: Die Juden wollen Jesus steinigen. Wieder geht es um ein Streitgespräch zwischen Jesus und seinen jüdischen Gegnern. Jesus ringt weiter darum, den Menschen die Augen dafür zu öffnen, dass in ihm der Vater am Werk ist. Viele gute Werke habe ich im Auftrag des Vaters vor euren Augen getan. Im griechischen Text steht „schöne Werke“. „Schön“ ist nicht nur ästhetisch gemeint, sondern hat mit der Schönheit der Schöpfung zu tun, wie sie am Anfang war. Die Werke, die Jesus tut, stellen die ursprüngliche Schönheit der Schöpfung, des Menschen wieder her. Das ist vielleicht auch eine gute Orientierung für unsere eigenen „guten Werke“. Wo und wie können wir dazu beitragen, dass die ursprüngliche Schönheit wiederhergestellt wird?
Die Ankläger Jesu verdrehen aber genau das. Sie behaupten, Jesus lästere Gott. Das, was sie ihm vorwerfen, ist in Wirklichkeit „diabolisch“. Der Diabolos ist der Durcheinanderwerfer, der die Dinge verkehrt und in ihr Gegenteil verwandelt. Wie verkehrt muss der Blick der Ankläger Jesu sein, wenn sie ihm Gotteslästerung unterstellen?!
Jesus antwortet hier mit einem jüdischen Schriftbeweis. Er greift ein Schriftwort auf und bezieht es auf seine konkrete Situation. Hier zitiert er Ps 82,6: Wohl habe ich gesagt, ihr seid Götter, ihr alle seid Söhne des Höchsten. Jesus bezieht diese allgemeine Aussage des Psalms auf sich, überbietet die Aussage aber damit, dass er von sich sagt, er sei von Gott geheiligt und in die Welt gesandt. „Geheiligt“ heißt, Gott geweiht, ganz Gott zugehörig (was übrigens mit uns allen in der Taufe geschehen ist und niemals zurückgenommen wird!). „In die Welt gesandt“ meint dann, von Gott ausgesandt, um die Welt, die sich ganz von Gott abgewendet hat, wieder für Gott zu gewinnen. Ein mühsames Geschäft!
Die Werke, die Jesus tut, bezeugen, dass es sich genauso verhält. Er ist Gottes Sohn, in ihm verwirklicht sich Gott unter den Bedingungen des Menschen. Es geht Jesus dabei nicht um sich, sondern um den Vater. Er will die Menschen für Gott gewinnen!
Aber es gibt auch Menschen, die sich überzeugen lassen, Menschen, die zum Glauben an Jesus kommen: Alles, was Johannes über diesen Mann gesagt hat, ist wirklich wahr. Es hat sich als wahr erwiesen. Zum Glauben kommen wir, wenn wir die Botschaft Jesu annehmen und sie sich dann in unserem Leben als wahr erweist. Glauben beruht auf Erfahrung und setzt die Bereitschaft voraus, Vertrauen zu schenken.
Donnerstag
der 5. Fastenwoche
Joh 8, 51-59
Wir befinden uns immer noch in dem Streitgespräch mit
den jüdischen Gegnern Jesu und Johannes bringt in neuen Formulierungen
Aussagen, die wir schon gehört haben.
Wer am Wort Jesu festhält (und danach handelt), der
wird den Tod nicht schauen oder nicht erleiden. Das ist eine andere
Formulierung für „das ewige Leben haben“. Es ist erwiesen, dass wir alle, den
leiblichen Tod sterben und daran führt kein Weg vorbei. Jesus hat aber eine
andere Qualität von Leben im Auge als das biologische, das irdische, das uns
jetzt zugängliche. Es gibt noch ein ganz anderes Leben, das wir erhoffen, das
wir ersehnen, auf das wir vertrauen dürfen, und Jesus ist unser Gewährsmann
dafür, dass es dieses Leben gibt.
Freya von Moltke schieb an ihren Mann Helmuth Graf von
Moltke, der unter dem NS-Regime in der Todeszelle saß: „Außer dem Leben können
sie Dir nichts nehmen“. Der Satz, den diese beiden Menschen in Erwartung der so
gut wie sicheren Hinrichtung Helmuths begleitet hat, und an dem sie sich
festgehalten haben stammte von Paulus: Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem
Herrn (Röm 14,8). Darin drückt sich die Hoffnung aus, die wir haben dürfen:
Der Tod ist nicht das Ende des Lebens, es ist ein neuer Beginn.
Die Juden werfen Jesus vor, er sei von einem Dämon
besessen, also von widergöttlichen Mächten. Der Anspruch Jesu, den er auch in
dem merkwürdigen Satz über Abraham (V 56) ausdrückt, ist schon sehr anmaßend,
wenn man ihn einfach nur als Mensch sieht. Johannes reflektiert mit diesem
Gespräch, das so sicher nie stattgefunden hat, den Anspruch Jesu, der durch
seine Lehre und sein Tun deutlich wurde. Wäre Jesus von Gott nicht beglaubigt
worden, wäre Jesus nicht von den Toten auferstanden, dann wäre dieser Anspruch
in der Tat sehr anstößig – und er war es zu seiner Zeit auch.
Jesus hat den Konflikt nicht gescheut, er stand für
die Wahrheit, die er zu verkünden hatte bis zum Tod. Als sie nun Steine
aufhoben, um ihn wegen Gotteslästerung zu steinigen, entzieht er sich ihnen und
verbirgt sich noch für eine gewisse Zeit.
Wenn hier steht, dass Jesus den Tempel verlässt, ist
damit nicht nur ein Ortswechsel gemeint. Jesus verlässt den Tempel, ohne dass
seine Botschaft Gehör gefunden hätte. Im Gegenteil, das Zerwürfnis ist
eskaliert. Sie wollen ihn töten.
Wenn wir zur Wahrheit unseres Glaubens stehen, können
wir Konflikte nicht vermeiden und dürfen es auch nicht. Wenn wir die Botschaft
von der Liebe Gottes in Jesus Christus verkünden und danach leben, müssen wir
mit Widerständen, Ablehnung und Hass rechnen. Das erfahren derzeit unzählige
unserer Brüder und Schwestern in vielen Teilen der Welt und auch an manchen
Orten in unserem Land.
Mittwoch der
5. Fastenwoche
Joh 8, 31-42
Der erste Vers ist irritierend, wenn wir uns den
Inhalt des Gesprächs anschauen, der darauf folgt. Das Gespräch zeigt spätestens
ab V 37, dass Jesus nicht mit Menschen spricht, die an ihn glauben, denn die
wollen ihn wohl kaum töten. Ich gehe also davon aus, dass es sich ab V 33 um
ein Streitgespräch handelt.
Wichtig ist für uns aber der V 31: Wenn ihr in meinem Wort bleibt, seid ihr
wirklich meine Jünger. „Bleiben in“ ist bei Johannes gleichbedeutend mit
„glauben an“. Die Jüngerschaft Jesu macht sich also daran fest, ob wir an sein
Wort glauben. Dabei sind seine Worte und seine Taten nicht zu trennen. Wir
wissen schon aus dem Schöpfungsbericht, dass Worte Gottes – und damit auch
Worte Jesu – zugleich Taten sind. Gott sprach und es wurde. Auch Jesu Worte sind
nie leere Worte, es sind Worte, die Wahrheit ausdrücken, also das, was wirklich
ist.
Es ist wirklich so, dass der, der sündigt, die, die
sündigt, Sklavin der Sünde ist. Wir machen uns mit unseren Handlungen (auch
Gedanken und Worten) zu Handlangern der Sünde oder zu Handlangern der Liebe.
Die Entscheidung liegt bei uns. Wir sind deshalb frei zu entscheiden, weil der
Sohn, weil Jesus uns frei gemacht hat (V 36). Wenn wir jetzt auf die drei
heiligen Tage zu gehen, in denen wir Tod und Auferstehung Jesu feiern, dann
feiern wir genau diese Befreiungstat Jesu. Paulus sagt dazu: Der Schuldschein
ist zerrissen und wir sind frei (vgl. Kol 3,14).
Jesus streitet sich mit seinen Gegnern darüber, wessen
Kinder sie sind, man könnte auch sagen, wessen Geistes Kinder sie sind. Abraham
gilt als Vater aller Glaubenden. Er hat Gott geglaubt, seiner Verheißung, und
ist aufgebrochen, wie der Herr es ihm gesagt hat. Jesus beansprucht für sich,
dass die Menschen ihm glauben, wie sie Gott glauben. Das beansprucht er nicht
als Anmaßung, sondern weil er zutiefst davon überzeugt ist, im Namen Gottes zu
leben, zu verkündigen und zu handeln.
Diesen Anspruch Jesu hat Gott schon durch die Taten
Jesu beglaubigt, aber noch mehr und endgültig durch seine Auferweckung von den
Toten. Der Anspruch Jesu ist wahr, d.h. er entspricht der Wirklichkeit Gottes.
Dienstag der
5. Fastenwoche
Joh 8, 21-30
Wir finden Jesus in einem Streitgespräch mit den
Pharisäern. Die Szene mit der Ehebrecherin geht dem voraus. Es geht wieder um
die Frage, wer Jesus ist und mit welchem Anspruch er auftritt.
Er konfrontiert und provoziert seine Gegner. Recht
unverständlich sagt er, dass er fortgeht und sie nicht dorthin gelangen können,
wohin er geht, sondern, dass sie in ihrer Sünde sterben. Das ist schon eine
ziemlich steile Aussage. Es kommt aber noch steiler. Was will Jesus hier sagen?
Sein Fortgehen bezieht sich auf seinen Tod, durch den er diese Welt verlässt
und zum Vater geht, d.h. verherrlicht wird. Dorthin können seine Gegner, die
nicht an ihn glauben, nicht gelangen, sondern sie werden in der Gottferne ihrer
Sünde bleiben und darin dem Tod verfallen. Mit diesem Sterben ist etwas
Endgültiges gemeint.
Seine Gegner verstehen das nicht, was sich an ihren
absurden Überlegungen zeigt. Sie sind ganz von dieser Welt und können Jesus
noch nicht einmal gedanklich folgen. Er kommt und spricht aus einer ganz
anderen Dimension, „von oben“. „Oben“ und „unten“, „Licht“ und „Finsternis“,
„nicht von dieser Welt“ und „von dieser Welt“ sind bei Johannes Ausdrücke, um
den Lebensbereich Gottes und den von ihm abgewendeten Bereich zu benennen.
Der Zugang zum Lebensbereich Gottes ist der Glaube an
Jesus als dem „Sohn Gottes“ (eine Bezeichnung, die eigentlich dringend einer
Erklärung bedarf. Hier nur so viel: Sie ist nicht biologisch gemeint, sondern
drückt die Untrennbarkeit und Einheit von Jesus und JHWH aus.) Jesus sagt: … wenn ihr nicht glaubt, dass Ich es bin (V24). Und: …. dann werdet ihr erkennen, dass Ich es bin (V 28). Im griechischen
Text steht da: Ego eimi. Damit spielt
Johannes ganz deutlich auf die Selbstbezeichnung JHWHs im Alten Testament an.
Die griechische Übersetzung des Alten Testaments, die die Christen der ersten
Jahrhunderte verwendet haben (Septuaginta) übersetzt an verschiedenen Stellen
mit diesem Ego eimi die
Selbstbezeichnungen JHWHs (z.B. in Ex 3,14 bei der Offenbarung des Gottesnamens
am brennenden Dornbusch).
Das ist eine sehr steile Aussage Jesu, weil er sich
damit in einer unüberhörbaren Anspielung, Gott gleichsetzt. Worin diese
Gleichheit unter anderem besteht sagt er in den VV 28f. Jesus tut nichts im
eigenen Namen, d.h. etwas lapidar formuliert, nach eigenem Gutdünken und zur
eigenen Ehre, sondern nur das, was der Vater ihn gelehrt hat, wozu er ihn
gesandt hat und was dem Vater gefällt. „Gefällt“ ist ein schwaches Wort für das
Gemeinte. Besser wäre vielleicht „wofür sein Herz schlägt“.
Als Jesus das sagte, kamen viele zum Glauben an ihn.
Das klingt ein bisschen plötzlich. Gemeint ist wohl auch nicht, dass die
Menschen zum Glauben an Jesus kommen, weil sie bei diesem Streitgespräch
anwesend waren, sondern weil sie erkannt haben, dass es so ist, wie Jesus es
sagte. Das konnte und kann jeder an den Taten Jesu erkennen, wenn er / sie sich
diesem Erkennen nicht verweigert sondern öffnet.
Montag der 5. Fastenwoche Joh 8,1-11
Da heute das Fest des heiligen Josef gefeiert wird, wäre eigentlich ein anderes Evangelium dran. Ich nehme aber das laufende Evangelium aus der Fastenzeit, weil gerade das so wichtig ist.
1 Jesus aber ging zum Ölberg. 2 Am frühen Morgen begab er sich wieder in den Tempel. Alles Volk kam zu ihm. Er setzte sich und lehrte es. 3 Da brachten die Schriftgelehrten und die Pharisäer eine Frau, die beim Ehebruch ertappt worden war. Sie stellten sie in die Mitte 4 und sagten zu ihm: Meister, diese Frau wurde beim Ehebruch auf frischer Tat ertappt. 5 Mose hat uns im Gesetz vorgeschrieben, solche Frauen zu steinigen. Nun, was sagst du? 6 Mit dieser Frage wollten sie ihn auf die Probe stellen, um einen Grund zu haben, ihn zu verklagen. Jesus aber bückte sich und schrieb mit dem Finger auf die Erde. 7 Als sie hartnäckig weiterfragten, richtete er sich auf und sagte zu ihnen: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie. 8 Und er bückte sich wieder und schrieb auf die Erde. 9 Als sie seine Antwort gehört hatten, ging einer nach dem anderen fort, zuerst die Ältesten. Jesus blieb allein zurück mit der Frau, die noch in der Mitte stand. 10 Er richtete sich auf und sagte zu ihr: Frau, wo sind sie geblieben? Hat dich keiner verurteilt? 11 Sie antwortete: Keiner, Herr. Da sagte Jesus zu ihr: Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!
Vielleicht ist es hilfreich, um uns diesem so bekannten Teil des Evangeliums neu zu nähern, uns in die Situation zu begeben. Jesus hat die Nacht wie so oft, wenn er in Jerusalem war, mit den Jüngern auf dem Ölberg, also in einem Olivengarten verbracht. Am frühen Morgen brechen sie von dort auf und gehen durch die Talsenke, die zwischen dem Ölberg und er Stadt liegt, auf die Stadtmauern zu. Sie sehen das riesige Tempelareal mit den gigantischen Stützmauern und gehen durch die Straßen dorthin. Es sind schon Menschen in den Tempelvorhöfen versammelt und er lehrt sie in der Weise, wie wir es aus viele Berichten kennen. Jesus sitzt, wenn er lehrt, wie es einem Lehrer zukommt in der Antike. Anders also als heute. Auf einmal kommt eine Gruppe von Schriftgelehrten und Pharisäern, die eine Frau mit sich schleppen. Ich ahne, dass Jesus sofort weiß, was jetzt kommt. Er bleibt ganz ruhig. Jetzt stellen sie die arme Frau, die vermutlich versucht sich mit ihrer Kleidung zu verhüllen und zu verbergen, die vor Angst ganz benommen ist und am ganzen Leib zittert, in die Mitte und bringen ihre Anklage vor. Direkt dazu liefern sie die Stelle aus dem Buch Deuteronomium, die ihrer Meinung nach jetzt gilt (Dtn 22,22): Steinigung!
Jesus bleibt ganz ruhig. Er beugt sich vor und schreibt mit dem Finger auf den Boden, d.h. in den Staub. Es gibt im Buch Jeremia eine Stelle, die meiner Meinung nach hier im Hintergrund steht: Die sich von mir abwenden, werden in den Staub geschrieben, denn sie haben den HERRN verlassen, den Quell lebendigen Wassers. (Jer 17,13) Jesus schreibt die Namen der Männer in den Staub, die ihm die Frau bringen. Namen, die in den Staub geschrieben werden, verwischen beim nächsten Windstoß, sie haben keinen Bestand. Das ist allerdings nur eine Vermutung von mir.
Erst als sie nicht locker lassen, richtet Jesus sich auf und wird sie wohl anschauen, vielleicht einen nach dem anderen. Dann kommt das Wort des Weisheitslehrers: Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe als erster einen Stein auf sie. Seine Ruhe und Souveränität in dieser hochgefährlichen Situation beeindruckt mich immer wieder. Er hat keine Angst um die Frau, ist sich seiner Sache sicher. Er regt sich auch nicht über die ihm gestellte Falle auf. Jesus ist ganz souverän und das ist wohl das Entscheidende in der Situation. Wir kennen den weiteren Verlauf.
Was oft vergessen wird, ist der letzte Satz Jesu: Geh und sündige von jetzt ab nicht mehr! Damit sagt Jesus noch nicht einmal, dass sie zuvor gesündigt hat. Er schaut nach vorne und sagt das Lebenswichtige – lebenswichtig für die Beziehung der Frau zu Gott, zu dem einzigen Herrn über Leben und Tod.
Fünfter Fastensonntag Joh 12, 20-33
Zu den ersten Versen (20-22) wäre schon einiges zu sagen, aber das müssen wir jetzt beiseitelassen.
Johannes schreibt uns hier keine logisch strukturierte Abhandlung, sondern er bietet uns wieder eine Meditation an, in der er mit Worten Jesu das Geheimnis seines Kreuzestodes umkreist. Er beginnt mit den Worten: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht wird. Mit der „Stunde“ ist kein konkreter Zeitpunkt gemeint, noch viel weniger tatsächlich eine Stunde, sondern der heilsgeschichtliche Augenblick. Diese „Stunde“ ist die Zeit des Handelns Gottes. Der Menschensohn ist der von Johannes bevorzugte Hoheitstitel Jesu, über den wir schon gesprochen haben (vgl. Dan 7,13f.). Eigentlich würden wir erwarten, dass Jesus hier sagt: Die Stunde ist gekommen, in der der Menschensohn leiden muss. Aber Johannes sagt das nicht. Er blickt hier schon über das Kreuz und das Leiden hinaus auf das Ziel: Jesus wird durch Tod und Auferstehung hindurch zum Vater gehen und in seine Macht als Sohn Gottes eingesetzt werden. Für Johannes fallen Kreuz und Verherrlichung zusammen, das Kreuz wird für die Augen des Glaubens zum Thron des Königs. So wird auch auf der Aufschrift des Kreuzes in drei Sprachen stehen: Jesus von Nazareth, der König der Juden.
Aber in den folgenden Versen spricht Johannes, wenn auch in verborgener Sprache von Kreuz und Leiden: Das Weizenkorn muss sterben …. Das Leben in dieser Welt gering achten … Wo ich bin, da wird auch mein Diener sein … Aber auch hier hat er schon den Durchblick auf das Ziel: reiche Frucht, ewiges Leben, der Vater wird ihn ehren.
Johannes will nicht Leiden und Kreuz übergehen oder ausblenden. Er kann die drei anderen Evangelien als bekannt voraussetzen und darin die genaue Überlieferung von Leiden und Tod Jesu. Johannes bietet uns hier die theologische Reflexion an. Er sagt uns, dass dieses Leiden einen tiefen Sinn hatte, dass es reiche Frucht gebracht, das ewige Leben geschenkt und Ansehen beim Vater geschenkt hat, für die, die dem Menschensohn auf seinem Weg nachfolgen.
Wenn einer mir dienen will, folge er mir nach; (und hier steht jetzt nicht: und nehme sein Kreuz auf sich) und wo ich bin, dort wird auch mein Diener sein. Wo ist Jesus denn? Bei den Armen, den Leidenden, den Sündern, mitten unter den Volksmengen, die ihm nicht einmal Zeit zum Essen lassen, bei den Ausgestoßenen, schließlich vor Pilatus, auf dem Weg nach Golgotha, am Kreuz, im Grab, am Ostermorgen bei den Frauen, schließlich beim Vater im Himmel. Überall dort, wird der, wird die sein, die ihm dienen will – auch beim Vater im Himmel! [Ein kleiner Einschub: Wer siegt, der darf mit mir auf meinem Thron sitzen, so wie auch ich gesiegt habe und mich mit meinem Vater auf seinen Thron gesetzt habe. Offb 3,21]
In V 28 heißt es: Da kam eine Stimme vom Himmel. Bei Johannes haben wir keinen direkten Bericht von der Taufe Jesu, bei der sich der Himmel öffnete und die Stimme Gottes zu hören war. Wir haben auch keine Verklärung auf dem Berg, bei der diese Stimme wieder spricht. Aber wir haben diese Stimme, die denen, die glauben wollen sagt, was in Kreuz und Tod Jesu geschehen wird: Der Vater verherrlicht seinen Namen. Mit anderen Worten könnten wir sagen: Der Vater offenbart und verwirklicht in Tod und Auferstehung Jesu seinen Namen, sein Wesen. Gott ist die alles auf sich nehmende uns erlösende Liebe in Jesus Christus.
Jesus wird alle an sich ziehen, die ihm vertrauen und Glauben schenken. Wie anziehend ist Jesus für mich? Lasse ich mich von ihm anziehen, mitnehmen, verwandeln?
Samstag der 4. Fastenwoche Joh 7, 40-53
Das ist die andere Möglichkeit, dass Jesus „der Prophet“ ist. Auch hier ist
wieder der Artikel wichtig. Es geht nicht um irgendeinen Propheten, sondern um
„den Prophet“. Wer aber ist „der Prophet“? Im Buch Maleachi, dem letzten
Prophetenbuch vor Beginn des Neuen Testamentes steht eine Verheißung: Bevor der Tag des Herrn kommt …, seht, da
sende ich zu euch den Propheten Elija. Er wird das Herz der Väter wieder den
Söhnen zuwenden und das Herz der Söhne ihren Vätern, damit ich nicht komme und
das Land dem Untergang weihen muss (Mal 3,23f.).
Die Menschen fragen sich in der Erwartung der Endzeit, in der Gott alles
richten und das Friedensreich bringen wird, ob Jesus dieser wiederkehrende
Prophet Elija ist. Wir sehen daran, dass in der Zeit Jesu eine ungeheure
Erwartung in der Luft lag. Die Juden erwarteten voller Drängen, das Eingreifen
Gottes in der Geschichte, wie er es schon sooft getan hatte.
Von der Messiaserwartung haben wir gestern schon gesprochen. Die Menschen
sind sich unsicher, sie merken nur, dass Jesu anders ist, dass von ihm eine
ganz besondere Autorität ausgeht, die sie so noch nie bei einem Menschen erlebt
haben. Die Gerichtsdiener (die Juden hatten unter den Römern noch eine eigene
Gerichtsbarkeit, die allerdings keine Todesurteile erlaubte), die die Pharisäer
zu Jesus geschickt hatten, um nicht selbst in den Verdacht zu kommen, sie
würden sich für ihn interessieren, sagten: Noch
nie hat ein Mensch so gesprochen.
Die Reaktion der Pharisäer ist klassisch: Sie verkaufen die Gerichtsdiener
für dumm und stellen sich als Maßstab hin für Verstand und Erkenntnis. Sie
gehen soweit, das „dumme“ Volk zu verfluchen. Sie nehmen sich also heraus,
andere, die nicht ihrer Meinung sind, von Gott zu trennen und auszuschließen
und das mit der Begründung, das unverständige Volk, verstehe ja nichts vom
Gesetz. Man könnte das in heutiger Sprache auch so sagen: Sie verstehen ja
nichts von Dogmatik.
Als Nikodemus sich für einen fairen Prozess einsetzt, disqualifizieren sie
ihn auch: Bist du vielleicht auch aus
Galiläa, wo nur die Bauern und Fischer leben, und auf dem keine Verheißung
ruht? Andere zu disqualifizieren ist ein bewährtes Mittel, um Gegner
auszuschalten.
Dann gehen alle nach Hause. Sie kommen zu keinem Ergebnis. Sie wissen
einfach nicht, wie sie Jesus packen sollen. So steht es ja auch in V 44: Aber keiner wagte ihn anzufassen. Von
Jesus geht eine Autorität aus, die selbst seine Gegner bannt. Gerade das
Johannesevangelium betont, dass alles, was geschieht nach Gottes Plan und in
freiem Willen Jesu geschieht. Sein Schicksal ist nicht von Menschen verfügt,
sondern freie Liebestat Gottes – von Vater und Sohn.
Freitag der 4. Fastenwoche Joh 7, 1-2.10.25-30
Diese Teile aus dem 7. Kapitel des Johannesevangeliums (die ziemlich
zusammengestückelt sind) wurden für heute ausgewählt, weil sich darin die
Zuspitzung der Situation zeigt, in der sich Jesus befindet. Zweimal wird
gesagt, dass die Juden Jesus töten wollen.
Zunächst möchte ich etwas zu der Bezeichnung „die Juden“ sagen. Wenn wir als
Deutsche nach dem Nationalsozialismus
heute diese Bezeichnung hören, klingt sie für uns völlig anders als für
die Menschen an der Wende vom ersten zum zweiten Jahrhundert. Was haben die
Menschen damals gehört? Die Juden waren die Bewohner von Judäa, wie es auch in
V 1 anklingt. Es ist einfach eine Bezeichnung für eine Bevölkerung, die in
einer bestimmten Region lebt. Es gab aber auch Juden außerhalb von Judäa, die
Diasporajuden. An die ist aber hier erst mal noch nicht gedacht. Mit „die Juden“
sind auch die Bewohner von Judäa gemeint, die sich mit der römischen
Besatzungsmacht arrangiert haben, um unter ihr noch eine gewisse
Selbstständigkeit zu wahren. Diese Juden waren stolze Menschen, stolz auf ihre
Geschichte als Volk, stolz auf das Haus David, das einst so glanzvoll
dagestanden hat, stolz auch - und das vielleicht am meisten – auf ihre
Religion, auf ihren Glauben an den einzigen Gott, an JHWH. Stolz waren sie auch
auf den Herodianischen Tempel, der zur Zeit Jesu noch das Zentrum Jerusalems
und ganz Judäas war. Zur Zeit der Abfassung des Evangeliums war dieser Tempel
von den Römern völlig zerstört. Geblieben war die Erinnerung. Das Volk der
Juden war tief gedemütigt und schon weitgehend in die Diaspora zerstreut.
Im Judentum zur Zeit Jesu lebte die große Hoffnung auf das Kommen des
Messias, der das Haus Davids wieder aufrichten würde. „Messias“ heißt
„Gesalbter“. Wenn von „der Messias“, also mit Artikel, die Rede ist, meint das
sehr konkret einen König aus dem Haus David, der Heil und Frieden bringt und
das Ende der Zeiten. Außerdem gehört zu ihm, dass man nicht wirklich weiß woher
er kommt. Das geht aus den messianischen Texten in den Prophetenbüchern hervor
(z.B. Jes 7,14).
Im heutigen Evangelium stellen die Menschen die Frage, ob Jesus dieser
Messias ist. Was würdet Ihr sagen? Ist Jesus dieser Messias? Die
Menschen seiner Zeit haben daran große Zweifel. Er entspricht nur sehr bedingt,
diesen Vorstellungen. So weiß man von ihm z.B. wo er herkommt. Wenn man es
schon weiß, müsste er wenigstens aus Betlehem in Judäa kommen, aber er kommt ja
aus Galiläa, aus diesen halb-heidnischen „Kuh- oder Fischerdörfern“. Und ein
königliches Auftreten hat er nun wahrlich nicht.
Dieser Störenfried, der das Volk in Unruhe versetzt und das sehr brüchige
Verhältnis zwischen Juden und Römern zu stören droht, soll aus dem Weg
geschafft werden. Jesus stört auch das religiöse Empfinden. Seine
Gesetzesauslegung entspricht überhaupt nicht dem, was Konvention ist.
Was sagt Jesus selbst von sich? Ich
bin nicht in meinem eigenen Namen gekommen, sondern er, der mich gesandt hat,
bürgt für mich. Wieder diese einzigartige Beziehung zu Gott dem Vater, die
hier anklingt. Und dann behauptet Jesus auch noch, dass die anderen, die sich
im Tempel um ihn versammelt haben, Gott nicht kennen. Das ist ein Vorwurf, den
die Propheten mit anderen Worten, dem Volk Israel schon oft gemacht haben. So
sagt Jesaja z.B.: Mein Volk nähert sich
mir mit den Lippen, sein Herz aber ist fern von mir und ihre Furcht vor mir
wurde zu einem angelernten menschlichen Gebot (vgl. Jes 29,13). Es geht
aber darum, Gott mit dem Herzen kennenzulernen und ihm von Herzen zu dienen.
Das ist auch der Sinn der lectio divina: Gottes
Herz, seinem innersten Denken und Wollen, mit dem eigenen Herzen begegnen und
sich dann davon umwandeln lassen. Möge er, der HERR, die noch verbleibenden
Tage auf Ostern zu mit seinem Segen begleiten!
Donnerstag der 4. Fastenwoche Joh 5, 31-47
Wir lesen weiter im 5. Kapitel des Johannesevangeliums und es geht noch mal
um die Frage des Verhältnisses zwischen Vater und Sohn, vor allem um die
Glaubwürdigkeit Jesu in seinem Anspruch, von Gott gesandt zu sein. Johannes
greift hier auf die Rechtsprechungspraxis von Griechen und Juden zurück und
verwendet den Begriff des „Zeugen“. Eine Behauptung kann durch Zeugen bewiesen
werden. Jesus lässt sich grundsätzlich darauf ein, einen Zeugen für sich zu
benennen. Aber diese Zeuge ist Gott selbst (V 37).
Die Werke, die Jesus tut, bezeugen, dass er von Gott gesandt ist. So
jedenfalls sieht er selbst das. Ganz offensichtlich ist es aber so, dass
Menschen sich diesem Zeugnis auch verschließen können. Es gibt keinen streng
logischen, keinen zwingenden Beweis für die Sendung und Sohnschaft Jesu. Das
Zeugnis ist nur für den glaubwürdig, der es glauben will. Jesus wirft den
Schriftgelehrten vor, dass sie die Schriften erforschen, aber eben trotzdem
nicht erkennen und glauben, dass diese Zeugnis für ihn ablegen (V 39f.).
Es geht um das Leben, man könnte auch sagen, es geht um Leben und Tod.
Johannes hat das in 5. Kapitel ja schon öfters thematisiert. Der Glaube an
Jesus und damit auch an Gott ist keine Nebensächlichkeit, sondern er ist die
Tür zum Leben. Der Glaube an Jesus steht in engem Zusammenhang mit der Liebe zu
Gott (V42) und damit zum Hauptgebot des mosaischen Gesetzes, wie wir schon
gesehen haben. Und so ruft Jesus auch Mose auf den Plan und führt ihn als
Zeugen für sich an, weil er über ihn geschrieben hat.
Wenn wir die fünf Bücher Mose lesen, finden wir darin keinen direkten
Hinweis auf Jesus oder einen Gesalbten, der so sein soll, wie Jesus ist. Die 5
Bücher Mose geben keine Definition vom Sohn Gottes, die genau auf Jesus passt.
Das Lesen der Schriften mit den Augen des Herzens lässt aber Gott als den
erkennen, den Jesus mit seiner ganzen Person, seinen Worten und Taten verkündet
und der sich in ihm selbst am Werk zeigt.
Ob wir glauben oder nicht bleibt letztlich unsere persönliche Entscheidung
und es bleibt ein Lebenswagnis. Wage ich, mein Leben auf Jesus zu bauen? Wage
ich es, mein Leben auf Gott zu bauen, der sich in Jesus offenbart hat, so dass
ich ihn als den gnädigen, barmherzigen, langmütigen und treuen Gott erkennen
kann, als der er ich sich Mose vorgestellt hat (Ex 34,6)?
Mittwoch in der 4. Fastenwoche Joh 5, 17-30
Der heutige Abschnitt aus dem Johannesevangelium ist die direkte Fortsetzung
des gestrigen. Es ist eine Meditation über das Geheimnis der Gottessohnschaft
Jesu, der Einheit von Vater und Sohn.
Diese Rede Jesu beginnt mit den Worten: Mein
Vater ist noch immer am Werk, und auch ich bin am Werk. Das „am Werk Sein“
von Vater und Sohn haben wir gestern in der Heilungstat Jesu durch sein
wirkmächtiges Wort gesehen. Bei Johannes ist das Wirken durch das Wort sehr
wichtig. Gott erschuf die Welt durch sein machtvolles Wort: Gott sprach und es
wurde. (Das ist natürlich eine theologische und keine naturwissenschaftliche
Aussage!).
Die Empörung der gottesfürchtigen Juden über die „Anmaßung“ Jesu, dass in
ihm der Vater am Werk ist, lässt sich leicht nachvollziehen. Der große Fortschritt
und die unaufgebbare Überzeugung des Judentums war der Glaube an den einen, den
einzigen Gott, der sogenannte Monotheismus. Gott hatte sich als der EINE
offenbart und kein Wesen stand ihm zur Seite, kein „Untergott“ oder etwas
Ähnliches. Und nun behauptete ein Mensch in Wort und Tat, dass er mit diesem
EINEN selbst eins sei. Wir müssen bedenken, dass wir 2000 Jahre Christenheit
hinter uns haben, in der wir dieses Geheimnis der Einheit zwischen Vater und
Sohn bedacht und reflektiert haben. Das war zur Zeit Jesu selbstverständlich
eine völlig andere Situation.
Johannes nennt hier viele Schlüsselworte, die für das Geheimnis der Einheit
von Vater und Sohn zentral sind: Die Liebe, die beide eint (V 20), der Wille,
lebendig zu machen (V 21.24.26), das Gericht über die Menschen (V 22.27.29.30),
die Sendung des Sohnes durch den Vater (V 24), die Totenauferweckung (V 25).
Ein ganz wesentlicher Aspekt der Einheit von Vater und Sohn ist der
gemeinsame Wille. Das wird auch hier in V 30 ausgesagt: Weil es mir nicht um meinen Willen geht, sondern um den Willen dessen,
der mich gesandt hat. Man könnte auch etwas lapidar sagen: Zwischen den
Vater und den Sohn passt kein Blatt Papier. Sie sind sich in allem, was sie
wollen und wirken so durch und durch einig, dass ihre Einheit des Wesens genau
darin besteht. Das gilt dann auch in der Stunde in Getsemani und in der Hingabe
Jesu am Kreuz.
Dienstag der 4. Fastenwoche Joh 5, 1-16
Das heutige Evangelium wäre eigentlich – wenn es nicht so ernst wäre –
geeignet, um mehrmals laut zu lachen. Um das zu erkennen, müssen wir uns einmal
mit Jesus in die Situation begeben.
Es ist ein Fest der Juden und dementsprechend kamen viele Pilger nach Jerusalem
in die wegen ihres Tempels heilige Stadt. Auch Jesus war mit seinen Jüngern
gekommen und lief nun durch die Stadt. Dabei kamen sie auch zu den Säulenhallen
am Teich Betesda. Ein Ort des Elends, an dem viele Kranke lagen, die hofften
von ihren Leiden geheilt zu werden. Der Glaube, der hinter dieser fragwürdigen
Hoffnung stand, war ein magischer Glaube. Wenn das Wasser aufwallte, sollte es
heilende Kräfte haben und das jeweils nur für den ersten, der schnell genug
war, ins Wasser zu springen. Das war auch vom jüdischen Glauben nicht gedeckt,
irgendwie so eine magische Vorstellung im Volk. An was soll man sich auch
klammern, wenn man sonst nichts hat oder meint zu haben?
Jesus geht also auf einen kranken Mann zu und fragt ihn: Willst du gesund werden? Das ist schon
zum ersten Mal zum Lachen. Was macht Jesus denn da? Er weiß doch genau, warum
die Menschen alle dort sind. Aber Jesus kennt das Herz des Menschen und weiß
wie zwiespältig es ist. Also fragt er noch mal gezielt nach. Und der Mann
antwortet ihm auch nicht direkt auf seine Frage mit „Ja“, wie es eigentlich zu
erwarten gewesen wäre, sondern er erzählt ihm diese Geschichte von dem
vermeintlich heilenden Wasser.
Jesus geht gar nicht darauf ein. Stattdessen sagt er lapidar: Nimm deine Bahre und geh! Wie bitte????
Der Mann liegt seit 38 Jahren da rum und Jesus sagt einfach zu ihm: Nimm deine
Bahre und geh! ? Die Umstehenden müssen ihn ziemlich entgeistert angeschaut
haben.
Dann steht da: Sofort wurde der Mann
gesund (wörtlich: Sofort geschah dem Menschen Gesundheit). Wir wissen
nicht, welche Krankheit er hatte, ob er gelähmt war oder chronisch depressiv
oder einfach ein obdachloser Mensch ohne Hoffnung. Das spielt auch keine Rolle.
Er stand jedenfalls nach 38 Jahren auf, nahm seine Trage und ging. In dieser
Wirkung des Wortes Jesu zeigt sich seine göttliche Vollmacht. Sprachlich wird
das noch durch das Wort „sofort“ unterstrichen. Etwas Unglaubliches war
geschehen.
Und dann kommen da welche und sagen: Es
ist Sabbat, du darfst deine Bahre heute nicht tragen. Wie bitte??? Was
redet ihr da? Habt ihr nicht mitbekommen, was Gott getan hat? Da kann man
wirklich nur lachen über soviel Unverstand und eine solche Verbohrtheit. Wir
gucken die Männer entgeistert an und zeigen auf den Mann mit der Trage. Habt
Ihr nicht gesehen, was gerade geschehen ist?
Jesus, der hier ganz ohne Aufsehen geheilt hat, begegnet dem Mann später
noch mal und sagt ihm: Jetzt bist du
gesund (wörtlich: Siehe, Gesundheit ist dir geschehen). Sündige nicht mehr, damit dir nicht
Schlimmeres zustößt (wörtlich: nicht Schlimmeres werde). Was will Jesus dem
Mann damit sagen? Die körperliche oder psychische Gesundheit ist ihm
wiedergegeben worden (von Gott), die Sünde aber vermag Schlimmeres zu bewirken
als solche Krankheit. Die Heilung von der Krankheit ist nur ein Zeichen, das
auf den viel umfassenderen Heilswillen Gottes hinweist.
Jesus hat dieses Zeichen der Liebe Gottes teuer zu bezahlen: Daraufhin verfolgten ihn die Juden, weil er
das an einem Sabbat getan hatte.
Montag der 4. Fastenwoche Joh 4, 43-54
Das Herzstück dieses Evangeliums ist der zweimalige Satz: Dein Sohn / dein Junge lebt. Jesus ist gekommen, damit wir das Leben haben. Gestern haben wir über die Verheißung des ewigen Lebens, des von allen Begrenzungen befreiten Lebens nachgedacht.
Im heutigen Evangelium wird wieder deutlich, wie sehr glauben und leben zusammengehören. Der königliche Beamte macht sich selbst auf den Weg, um diesen Wanderprediger, von dem man sich so viel erzählte, aufzusuchen und um Hilfe zu bitten. Ein königlicher Beamter war kein armer Fischer, kein Zöllner, kein Bettler. Er gehörte zum Establishment und hatte es eigentlich nicht nötig, einem Wanderprediger hinterherzulaufen. Aber er tat es, und das alleine ist schon Ausdruck seines Glaubens. Was ist nämlich Glaube? In der hebräischen Sprache gibt es gar kein Wort für „glauben“. Dort werden Begriffe verwendet wie: sich festmachen, sich halten an, vertrauen, bauen auf … Dieser Mann vertraute Jesus, er machte sich auf den Weg, um ihn zu suchen, er wollte sich bei ihm „festmachen“ mit seiner Not.
Die Kritik Jesu kann uns irritieren. Er sagt: Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, glaubt ihr nicht. Geht es uns nicht selbst auch so, dass wir Beweise suchen dafür, dass wir Jesus und mit ihm Gott Glauben schenken können? Der kaiserliche Beamte geht einen anderen Weg. Er glaubt dem Wort Jesu und macht sich auf den Weg zurück zu seinem Sohn im Vertrauen darauf, dass dieser geheilt wird. Und es scheint als sei dieser Glaube an das wirkmächtige Wort Jesu und das sich-daraufhin-auf-den-Weg-machen, der Anteil des Menschen an der Heilung durch Gott.
Nachdem der Vater geglaubt hat, erkennt er rückblickend, dass Jesu Wort tatsächlich bewirkt hat, was es besagte. Und so wird auch sein ganzes Haus gläubig. Johannes legt uns hier einen Prozess, einen Weg vor, auf dem wir zum missionarischen Glauben an Jesus finden können, zu einem Glauben, der andere mitzieht und für Jesus entflammt.
Liebe Leser*innen,
jetzt ist die Hälfte der Fastenzeit schon um und wir gehen auf die Passionszeit zu. Ich möchte Euch einladen, mir eine kurze Rückmeldung zu geben, zu den bisherigen Lectio-divina-Gedanken. Gab es etwas, was Ihr nicht verstanden habt? Etwas, das Euch irritiert oder gewundert hat? Gibt es ein Thema, zu dem Ihr noch mehr erfahren möchtet? Was hat Euch besonders berührt? Da ich ja auch ein bisschen entscheiden kann, wo ich meinen Schwerpunkt setze, könnte ich Eure Fragen, Anregungen bei den Impulsen der nächsten Wochen versuchen zu berücksichtigen.
sr.ursula[at]osb-os.de
Ich wünsche allen weiter eine segensreiche Zeit auf Ostern zu und Freude an der Begegnung mit dem Wort Gottes,
Sr. Ursula
Vierter Sonntag der Fastenzeit Joh 3, 14-21
Dieser Abschnitt aus dem Johannesevangelium hat es mal wieder in sich und wir können uns nur ein bisschen nähern. Johannes schreibt keine logisch aufgebaute Abhandlung, sondern eine Meditation über das Geheimnis Jesu Christi, des Sohnes Gottes oder wie es hier heißt: des Menschensohnes.
Ausgewählt worden ist dieser Abschnitt am 4. Fastensonntag wegen des Wortes über die Erhöhung des Menschensohnes in V 14. Im Buch Numeri, das die Wüstenwanderung des Volkes Israel beschreibt, wird vom Murren des Volkes gegen Gott und Mose berichtet. Da schickt Gott Giftschlangen, die die Menschen beißen und töten. Mose macht auf Anweisung Gottes eine Kupferschlange, die er an einer Stange aufhängt und jeder, der zu ihr aufblickt, bleibt am Leben (Num 21,4-9). Darin haben die Christen schon früh ein Bild für den Kreuzestod Jesu gesehen. Wer zu ihm aufblickt, bleibt am Leben. Johannes drückt es in seiner eigenen, abstrakteren Sprache aus.
Im V 15 gibt Johannes die tiefe Begründung dafür, wozu Jesus diesen Weg ans Kreuz gegangen ist: Weil Gott die Welt so sehr geliebt hat – besser wäre hier zu ergänzen: und noch immer liebt. Gott hat die Welt und jeden einzelnen Menschen ins Leben gerufen und will, dass wir leben. Obwohl wir alle Sünder sind und den Tod verdient hätten und ja auch tatsächlich durch ihn hindurchgehen müssen, hat Gott uns in Jesus den Weg zum ewigen Leben eröffnet. Das Wort „ewig“ ist ziemlich unzureichend, um auszudrücken, was damit gemeint ist. Es ist eben nicht ein ins Unendliche verlängertes Leben gemeint, wie wir es kennen, vielleicht mit weniger Leid, aber letztlich doch irgendwie irdisch. Mit dem ewigen Leben schenkt uns Gott ein in jeder Hinsicht entgrenztes Leben: Offen auf Gott, auf alle Menschen, auf den Kosmos, auf die ganze geistige Welt …
Das ist die froheste Botschaft, die wir uns überhaupt denken können. Und das Evangelium von heute sagt uns, dass wir dieses Leben empfangen, ja schon empfangen haben, wenn wir an Jesus glauben.
Was ist nun mit dem Gericht gemeint? Das ist eine schwierige Frage, die ganze Bücher füllt. Hier nur so viel: Alle Weltreligionen kennen in der ein oder anderen Form den Gedanken, dass der Mensch nach seinem Tod für seine Taten, für sein Leben Rechenschaft abgelegen muss vor Gott. Entsprechend seinen Taten wird er dann einen Lohn oder eine Strafe empfangen.
Das Johannesevangelium sagt uns, dass, wer an Jesus glaubt (Ich möchte hier an den rechten Schächer aus dem Lukasevangelium erinnern, der zu Jesus sagt: „Jesus denk an mich, wenn du in dein Reich kommst! Und Jesus antwortet ihm: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein. Lk 23,42f.) gar nicht in das Gericht kommt. Jesus hat das Gericht nämlich am Kreuz schon für uns auf sich genommen.
Was ist mit denen, die nicht an Jesus glauben? Das ist eine Frage, die uns allen auf den Nägeln brennen dürfte, da wir alle uns liebe Menschen kennen, die nicht an Jesus glauben. Das Johannesevangelium sagt uns, dass sie eben aus eigenem Entscheid, dann doch ins Gericht kommen. Es ist eigentlich unbegreiflich, dass ein Mensch aus freien Stücken, die Liebe Gottes in Jesus ausschlägt. Dennoch scheint es so zu sein. Ich persönlich hoffe darauf, dass Gott jedem Menschen auch noch in letzter Minute die Möglichkeit gibt, dieses „Jesus, denk an mich!“ zu sprechen. Aber wir müssen von der realen Möglichkeit ausgeben, dass ein Mensch es nicht tut. Gott zwingt uns seine Liebe und das ewige Leben bei ihm nicht auf. Nach christlicher Auffassung endet das Leben nicht mit dem Tod, für niemanden. Wie unendlich traurig mag eine zeitliche Ewigkeit ohne die völlige Entgrenzung in Gott sein ….?!
Samstag der 3.
Fastenwoche Lk 18, 9-14
Jesus wendet sich an Menschen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt sind und die anderen
verachten. Hand auf’s Herz: Wer hat jetzt nicht innerlich sofort mit dem
Finger auf die Selbstgerechten gezeigt? Uns fallen sofort Namen von Menschen
ein, die wir für selbstgerecht halten. Damit machen wir natürlich nichts
anderes als der Pharisäer in der folgenden Erzählung. Wir kommen noch darauf
zurück.
Was war ein Pharisäer eigentlich? Ein jüdischer Mann, der
sich um die Einhaltung des Gesetzes bemühte und auf die Erlösung Israel
wartete. Die Pharisäer bemühten sich darum, in ihrem alltäglichen Leben dem
Bund Gottes treu zu sein und so den Weg zu ebenen für das Kommen des ersehnten
Messias. Daran war nichts schlecht.
Was war ein Zöllner? Ein Zöllner war ebenfalls ein jüdischer
Mann, der aber im Dienst der Besatzungsmacht, der Römer stand und bei seinen
Landsleuten die verhassten Zölle eintrieb. Er machte sich damit in jeder
Hinsicht unrein, weil er sich mit den Heiden abgab und auch noch von deren
unreinen Geld lebte. Schlimmsten Falls forderte er sogar zu viel Zoll von
seinen Landsleuten, um sich damit zu bereichern, so wie wir es von Zachäus
wissen (Lk 19,1-10). Abgesehen von der Möglichkeit der unredlichen
Bereicherung, war auch der Beruf des Zöllners moralisch nicht eigentlich
schlecht. Er war eben verhasst und galt als Kollaborateur.
Diese beiden Männer stehen also nun im Tempel, d.h. im
Vorhof für jüdische Männer, und beteten. Der Pharisäer spricht ein scheinbares
Dankgebet, das aber in Wirklichkeit eine Anklage anderer ist. Er brüstet sich
zudem mit seinen vermeintlich guten Taten. Von Liebe zu Gott oder dem Nächsten
können wir nichts entdecken, dann hätte das Gebet anders lauten müssen.
Der Zöllner traut sich auch in den Tempel. Er weiß, dass er
dank seiner Geburt zum auserwählten Volk Gottes gehört. Und er schämt sich in
Grund und Boden, weil er diesem schlimmen Gelderwerb nachgeht. Aber er hat Vertrauen
zu Gott, er flüchtet sich zu ihm und sagt: Herr,
Kyrios, sei mir Sünder gnädig! Was für ein Gebet ist das? Er spricht Gott
mit seinem Hoheitstitel Kyrios an.
Von sich selbst sagt er: Ich bin ein Sünder. Wie wahr! Wir erinnern uns an das
Gleichnis vom unbarmherzigen Gläubiger …. Und er erinnert sich selbst und Gott
an die ganz zentrale Selbstbekundung Gottes:
JHWH ist ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig, reich an Huld und Treue
(Ex 34,6).
Der Zöllner kehrte als Gerechter nach Hause zurück, weil er
in aller Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit und im Vertrauen auf die Güte Gottes
neu in die Beziehung zu Gott eingetreten ist. Gott liebt es, barmherzig zu sein
und vergibt uns unsere Schuld, wenn wir ihn darum bitten. Wenn wir beten, geht
es immer um unsere Beziehung zu Gott und nie um einen Vergleich mit anderen.
Wir können sowieso nicht in das Herz anderer Menschen schauen und auch nicht in
ihre Lebensgeschichte. Das kann Gott allein. Und den Fehler begehen wir, wenn
wir mit dem Finger auf andere zeigen.
Das Gebet des Zöllners haben sich die Mönche der Ostkirche
im sogenannten Herzensgebt zu eigen gemacht, wenn sie viele Male am Tag die
Worte sprechen: Jesus, Sohn Gottes,
erbarme dich meiner, des Sünders / der Sünderin. Auch bei uns findet dieses
Gebet inzwischen immer mehr Verbreitung.
Freitag der 3. Fastenwoche Mk 12, 28b-3
Heute begegnen wir wieder dem Gesetz und damit der Frage nach dem ersten, d.h. dem grundlegenden Gebot. Jesus gibt hier die Antwort, die wir mit unseren Überlegungen am Mittwoch schon berührt haben.
Zunächst zitiert Jesus das „Schǝma (Höre) Israel“, das Gebet und Glaubensbekenntnis, das jeder fromme Jude täglich mehrfach betet. Es steht in Dtn 6,4f. Diese Worte sollen auf dem Herzen geschrieben stehen. Das bedeutet, sie sollen unser ganzes Denken, Fühlen und Handeln bestimmen. Die Liebe zu Gott, dem EINEN ist das, was das ganze Leben des gläubigen Menschen erfüllt. Sie ist die Grundlage dafür, ein Leben zu führen, das dem Gesetz Gottes entspricht. Und das zweite Gebot ist die Liebe zum Nächsten, das wir in Lev 19,18 im sogenannten „Heiligkeitsgesetz“ finden.
Die gelehrten Gottesfürchtigen Israels kannten die ägyptische Vorstellung von der sogenannten „Ma‘at“. Das ist die Vorstellung von einer der Schöpfung eingeschriebenen völligen Harmonie, die sowohl den Kosmos als auch den Menschen in seinem sozialen Gefüge betrifft. Das mosaische Gesetz will diese harmonische Friedensordnung neu ermöglichen, nachdem sie durch die Sünde des Menschen zerstört worden ist. Und Jesus benennt hier klar die Grundlagen für diese Ordnung: Die Liebe zu Gott, dem EINEN und die Liebe zum Nächsten.
Diese Friedensordnung steht auch im Zusammenhang mit dem Reich Gottes. Jesus ist gekommen, um zu verkündigen: Kehrt um und glaubt an das Evangelium. Das Reich Gottes ist nah! (vgl Mk 1,15) Der Schriftgelehrte, der die Worte Jesu bestätigend wiederholt ist nicht fern vom Reich Gottes, von der umfassenden Friedensordnung der Liebe.
Donnerstag in der 3.
Fastenwoche Lk 11, 14-23
Im heutigen Evangelium bekommen wir es mit einer Welt zu
tun, die uns modernen Menschen fremd und irgendwie suspekt ist: Satan,
Beelzebul, Dämonen. Hier müssen wir auch wieder nach der Vorstellungswelt im
Judentum zur Zeit Jesu fragen.
Menschen haben sich wohl schon immer nach dem Ursprung und
dem Verursacher des Bösen in der Welt gefragt. So hat sich allmählich die
Vorstellung entwickelt, dass es einen Gegenspieler Gottes gibt, der allerdings
nicht unabhängig von Gott ist, sondern ihm unterstellt. Sehr eindrücklich wird
das im Buch Hiob dargestellt (Hiob 1,6-12). Der Satan wird als gefallener Engel
vorgestellt, dessen Untertanen und Handlanger die Dämonen sind. Beelezul sei
der Anführer der Dämonen, also ist es nur eine andere Bezeichnung für den
Satan. Der Satan und seine Dämonen durchstreifen nun die Erde und setzen alles
daran, den Menschen von Gott abzubringen und ihm durch alles Mögliche zu
schaden. Wir haben es hier also mit einer Personifizierung des Bösen zu tun.
Die Gegner Jesu werfen ihm nun vor, er würde die Dämonen,
die die Menschen quälen, mit Hilfe des Beelzebul austreiben. Damit wollen sie
ihn disqualifizieren und dämonisieren. So etwas geschieht ja bis heute beim
Versuch, Gegner auszuschalten.
Jesus kann seine Gegner aber leicht mit ihren eigenen
Anschuldigungen widerlegen. Er verweist stattdessen auf den Heiligen Geist, mit
dem er die Dämonen austreibt. Der „Finger Gottes“ ist ein Bild für den Heiligen
Geist. Der Geist Gottes wirkt in dieser Welt in heilender, ordnender, mit Gott
versöhnender Weise. Und gerade darin kommt das Reich Gottes zu den Menschen.
Gestern sprachen wir über die Herkunft und Funktion des mosaischen Gesetzes.
Auch in ihm wirkt der Geist Gottes und Jesus erfüllt dieses Gesetz durch die
heilenden Taten der Liebe.
Das Wort vom starken Mann der seinen Hof bewacht hat Lukas
hier angefügt, weil es verdeutlicht, wer Jesus ist: Er ist der Stärkere, der
den Satan entmachtet und ihm seine Waffen wegnimmt.
Das letzte Wort Jesu steht im Zusammenhang mit dem geteilten
Reich: Wer nicht mit Jesus arbeitet, der arbeitet gegen ihn und versucht sein
Reich zu spalten. Das wird der Stärkere aber nicht zulassen.
Mittwoch der 3.
Fastenwoche Mt 5, 17-19
Um das heutige Evangelium wenigstens ansatzweise verstehen
zu können, müssen wir uns zuerst fragen, was mit dem „Gesetz und den Propheten“
überhaupt gemeint ist. Nach jüdischem Verständnis – und von dem müssen wir hier
ausgehen – sind die fünf Bücher Mose das Gesetz. Mit dem Gesetz sind nicht nur
die 10 Gebote und die als Gesetze formulierten Texte in diesen 5 Büchern
gemeint, sondern auch die Schöpfungsberichte, die großen Vätererzählungen, der
Auszug aus Ägypten, die Wüstenwanderung. Das Gesetz des Mose ist nicht ein
Gesetzeskodex, den Menschen auf die Weisung Gottes hin festgeschrieben haben.
Das Gesetz ist etwas, das der ganzen Schöpfung innewohnt.
Gott hat den Menschen die Tora, die seit Ewigkeit existiert
und in Ewigkeit nicht vergehen wird, offenbart und zugänglich gemacht, so dass
sie sich danach richten und ihr Leben danach gestalten können. Das Gesetz zeigt
den Menschen, wie sie den Weg des Heiles und des Friedens unter dem Segen
Gottes gehen können. Die Propheten mahnen das Volk Israel und seine Herrscher
immer wieder, sich an dieses Gesetz und den Bund, den Gott mit ihnen geschlossen
hat, zu halten, damit es ihnen gut geht und sie unter dem Segen Gottes bleiben.
Jesus ist gekommen, um dieses Gesetz zu erfüllen. Er ist der
Mensch, der ganz und gar nach diesem Gesetz lebt. Er hat immer wieder darauf
aufmerksam gemacht, dass das Wesen des Gesetzes, der Kern des Gesetzes die
Liebe zu Gott und den Menschen ist (Mt 22,36-40). Diese Liebe hat er bis zum
Schluss, bis zur letzten Erfüllung am Kreuz gelebt.
Daher wird auch verständlich, was Jesus meint, wenn er die
Einhaltung des Gesetzes fordert. Es geht um ein Leben nach der
Schöpfungsordnung Gottes, der alles gut
gemacht hat (vgl. Gen 1). Diese Schöpfungsordnung kann nicht zerstört werden,
weil Gott sie gegeben hat. Im Himmelreich kann nur der groß sein, der diese
durch und durch gute Schöpfungsordnung bejaht, gelebt und weitervermittelt hat.
Paulus, der sich als Jude viele Gedanken über die Bedeutung
des Gesetzes auch für die Christen gemacht hat, schreibt im Römerbrief: Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses.
Also ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes (Röm 13,10).
Dienstag der 3. Fastenwoche Mt 18, 21-35
Der heutige Abschnitt aus dem Evangelium muss im Zusammenhang mit dem vorausgehenden gelesen werden. In den Versen Mt 18,15-18 ging es um die geschwisterliche Zurechtweisung und die Binde- und Lösegewalt der Gemeinde. Petrus will es nun genau wissen: Wie oft muss ich meinem Bruder denn vergeben? Daraufhin erzählt Jesus das Gleichnis vom unbarmherzigen Gläubiger.
Zunächst sollte uns die Unvergleichbarkeit der Schulden ins Auge springen, die hier genannt werden. Zehntausend Talente sind eine derartig unvorstellbar astronomische Schuld, dass sich die Zuhörer Jesu sofort gefragt haben müssen, wie ein Mensch alleine eine solche Schuld ansammeln kann. Dagegen sind die hundert Denare, die der eine dem anderen Diener schuldet, ein Witz. Das ist übrigens ein typisch jesuanischen Stilmittel. Jesus erzählt oft solche Geschichten, die eigentlich ans Unmögliche grenzen, aber doch wieder nicht völlig ausgeschlossen sind.
Da Jesus hier vom Himmelreich spricht, ist klar, dass der König Gott selbst oder sein eigesetzter Richter (also Christus) ist. Der ist völlig unvernünftig. Aus purem Erbarmen und Mitleid, erlässt er diese gigantische Schuld. Das ist unsere Situation. Wir Menschen schulden Gott derartig viel an Glaube, Hoffnung und Liebe, dass die Summe astronomisch ist. Selbst wenn wir mit allem, was uns gehört und lieb und teuer ist „verkauft“ würden, wäre diese Schuld nicht auszugleichen (vgl. V 25). Dagegen steht das, was uns unsere Brüder und Schwestern schuldig sind – eben die Kinkerlitzchen des Alltags. (Schwere Schuld betrifft dann wieder Gott selbst.)
Wenn also Petrus fragt, wie oft wir unseren Geschwistern vergeben müssen und Jesus antwortet 77mal, also unbegrenzt oft, dann führt er uns mit dem Gleichnis noch vor Augen, in welcher Situation wir uns eigentlich befinden und wie unpassend die Frage des Petrus ist.
Es wird deutlich, dass Jesus uns hier vor allem eine Botschaft geben will: Gott, euer Vater, der euch in sein Himmelreich ruft, ist so unendlich barmherzig, so voller Mitleid mit euch, so unvorstellbar gütig, dass ihr es auch sein sollt. Der Zorn, von dem am Ende gesprochen wird, ist der Kontrapunkt. Es geht meiner Meinung nach nicht darum, uns Angst zu machen vor einem letztlich doch zornigen Gott, sondern darum, uns aufzurütteln und uns zu zeigen, was wir eigentlich verdient hätten.
Montag der dritten
Fastenwoche Lk 4, 24-30
Der Zuschnitt des heutigen Evangeliums ist schon etwas
fragwürdig. Hier ist ein Wort Jesu mitten aus dem Zusammenhang gerissen worden
und bleibt eigentlich nur noch als „Wortfetzen“ stehen. Jesus ist in Nazaret
und liest in der Synagoge aus dem Buch des Propheten Jesaja vor. Anschließend
sagt er: Heute hat sich das Schriftwort,
das ihr eben gehört habt erfüllt. Alle staunen darüber, wie er spricht und
die Schrift auslegt, aber dann kommen ihnen Bedenken: Ist das nicht der Sohn des Josefs? Wie kann denn einer von uns,
einer dessen Familie wir kennen, so ein einfacher Bauhandwerker, so reden?
Daraufhin sagt Jesus die Worte des heutigen Evangeliums.
Jesus nennt sich also hier selbst einen Propheten. Was ist
ein Prophet? Ein berufener Rufer. Ein Prophet ist einer, der nicht in eigener
Vollmacht spricht, sondern eine Botschaft verkündet, die er von Gott empfangen
hat. Er ist gesendet, im Namen Gottes zu sprechen und zu handeln. Das gilt auch
für Jesus, wenn auch das Geheimnis seiner Person über das eines Propheten
hinausgeht.
Aber wie sooft in der Geschichte Israels (und nicht nur
Israels!) stößt der Prophet auf taube Ohren und ungläubige Herzen. Die beiden
Personen, die Jesus hier nennt, die von den Propheten Elija und Elischa Hilfe
und Heilung erfahren haben, gehörten nicht zum Volk Israel. Es waren Ausländer
und sie teilten nicht den JHWH-Glauben. Dennoch erfuhren sie Hilfe und Heilung,
weil sie vertrauten.
Wie viele Propheten vorher, erfährt Jesus auch die Wut und
Gewalttätigkeit seiner Landsleute, an die sich seine Botschaft richtet. Sie
wollen ihn den Abhang eines Berges hinabstürzen. Aber zu diesem Zeitpunkt kann
Jesus diesem Ansinnen souverän entgegentreten. Er geht einfach mitten durch die
aufgebrachte Menge hindurch und geht weg. Jesus geht mitten durch das Tosen der
Fluten (ein biblisches Bild für das Böse) hindurch, ohne sich „die Füße nass zu
machen“. Und er geht weg! Das heißt, dass die Stunde der Begegnung mit dem
Gesandten Gottes für die Nazarener vorbei und vertan ist.
Dritter Sonntag der Fastenzeit Joh 2, 13-25
Alle vier Evangelien berichten von der sogenannten „Tempelreinigung“. Das Johannesevangelium stellt dieses Ereignis ganz an den Anfang des öffentlichen Wirkens Jesu, während es bei den drei anderen Evangelisten erst am Schluss steht. Was tut Jesus hier? Er tritt als Prophet auf und setzte eine sehr deutliche prophetische Zeichenhandlung.
Wir müssen uns vorstellen, dass Jesus wirklich kraftvoll aufgetreten ist und die blökenden Tiere aus dem riesigen Tempelareal getrieben hat. Die Tiere waren aber ganz zentraler Teil des jüdischen Kultes. Sie wurden gebraucht, damit die frommen Gläubigen ihr vorgeschriebenes Opfer darbringen konnten. Denn schließlich brachte man das Opfertier nicht quer durch das Land mit nach Jerusalem. Das Wechselgeld wurde ebenfalls gebraucht, weil die Opfertiere nicht mit römischem Geld gekauft werden durften, welches dafür in Tempelwährung umgetauscht werden musste. Wenn Jesus also hier „Randale macht“, dann ist das eine massive Kritik an der Art der damaligen jüdischen Religionsausübung.
Der herodianische Tempel war mit seinen riesigen Vorhöfen ein gigantisches Bauwerk, das von dem römischen Klientelkönig Herodes der Große, der bei seinen jüdischen Landsleuten verhasst war, so prächtig ausgebaut worden war. Jesus setzt sich selbst an die Stelle, dieses Tempels, wenn er sagt: Reißt diesen Tempel nieder, in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten.
Wie ist das zu verstehen? Der Tempel war der Ort der Gottesgegenwart. Hier war der transzendente Gott, JHWH, von dem es kein Bild gab, im Allerheiligsten in dieser Welt gegenwärtig und wurde dort verehrt.
Im Menschen Jesus von Nazaret und somit in dessen menschlichen Leib war dieser Gott nun aber neu in die Welt gekommen und berührbar, verborgen unter der menschlichen Gestalt, sichtbar gegenwärtig. Jesu Leib ist zum neuen Tempel geworden. Dieser Tempel wurde am Kreuz „niedergerissen“ und am dritten Tag in der Auferstehung wieder aufgerichtet. Im Tempel wurden die Opfer dargebracht, die den Menschen mit Gott versöhnen sollten. Seit und in Jesus Christus sind nicht mehr diese Opfer der Weg und das Mittel der Versöhnung mit Gott, sondern Jesus selbst und der Glaube an ihn schafft ein für alle Mal die Versöhnung von Gott und Mensch (vgl. Röm 3,25f.; 5,10 usw.)
Das ist das große Glaubensgeheimnis des Christentums, das wir an Ostern in den drei heiligen Tagen von Gründonnerstagabend bis Ostersonntag feiern werden. Dieses Geheimnis erschließt sich einerseits durch das Wort der Schrift im Alten Bund und andererseits durch die Worte und Taten Jesu selbst. So heißt es von den Jüngern: Sie glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte.
Samstag der 2.
Fastenwoche Lk 15, 1-3.11-32
Das Gleichnis vom barmherzigen Vater mit den zwei Söhnen ist
so unmissverständlich und spricht so direkt zu Herzen, dass es eigentlich
keiner weiteren Auslegung bedarf. Hier kommt alles darauf an, sich wirklich
diesen Vater vorzustellen, denn in ihm will uns Jesus mit Gott, unserem Vater
vertraut machen.
Zwei Stellen möchte ich besonders betrachten. Denn mein Sohn war tot und lebt wieder; er
war verloren und ist wiedergefunden worden. Der Vater sieht seinen Sohn,
der sich das Erbe hat auszahlen lassen und dann in die Ferne gezogen ist,
wirklich als tot, als verloren an. Wenn er nicht zurückkehren würde, müsste er
als endgültig verloren, ja sogar als tot gelten. Dennoch lässt der Vater ihn
gehen, hält ihn nicht zurück, lässt ihn die Verantwortung für sein Leben oder
seinen Tod selber tragen. Aber er hofft. Der Vater hofft, sein Sohn könnte doch
eines Tages zurückkehren. Und er wartet auf ihn. So wird die unermessliche
Freude, der Überschwang der liebenden Zuwendung des Vaters erst verständlich.
Wider alle Hoffnung hat er gehofft, und sein Sohn ist gekommen – wie zerlumpt
und am Ende auch immer.
Die andere Stelle betrifft den zweiten Sohn. Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles,
was mein ist, ist auch dein. Das ist eine ungeheuerliche Aussage. Wir sind
ja auch durch die Taufe zu Söhnen und Töchtern Gottes geworden. Wir sind immer
bei ihm und alles, was sein ist, ist auch unser. Wir dürfen großzügig leben,
weil wir aus dem vollen schöpfen können. Ganz besonders kommt das im
fürbittenden Gebet zum Tragen. Dort zeigt sich unsere Gotteskindschaft am
deutlichsten. Wir dürfen Gott um alles bitten – soweit es im Namen Jesu und in
seiner Intention geschieht.
Freitag der 2.
Fastenwoche Mt 21,
33-43.45-46
Das Gleichnis von den bösen Winzern beginnt mit einer ganz
deutlichen Anspielung an eine Stelle aus dem Buch Jesaja, an das Lied vom
Weinberg (Jes 5). Der Weinberg ist bei Jes ein Bild für Israel und Jesus
verwendet dieses Bild mit voller Absicht. Er kann sich sicher sein, dass ihn
seine Zuhörer verstehen werden. Diese Parabel steht zudem nach seinem Einzug in
Jerusalem, so dass auch die Verbindung zu seinem bevorstehenden Kreuzestod
sofort ins Auge springt.
Im weiteren Verlauf wird auch allen Zuhörern Jesu sofort
klar, dass er vom Schicksal der Propheten spricht. Die Propheten des Volkes
Israel hatten durchweg nichts zu lachen! Dass der Weinbergsbesitzer – Gott, der
HERR – zuletzt seinen Sohn sendet, den sie dann aus dem Weinberg werfen,
nämlich vor die Tore der Stadt Jerusalem auf den Berg Golgotha – wird von der
jungen Kirche klar erkannt und ergänzt.
Dann folgt eine typisch prophetische Frage: Was wird er mit
solchen Winzern tun? Es kommt ein Weheruf, eine Strafandrohung, wie sie immer
wieder beim Propheten Jesaja und seinen „Kollegen“ vorkommt. In dieser Reihe
steht auch Jesus.
Er weist sie auf ein Wort der Schrift hin, das im Ps 118
steht. Es geht um den Stein, den die Bauleute verworfen haben und der dann
genau gegen ihre Absicht zum Eckstein, d.h. zum alles tragenden Stein geworden
ist. Das neue Volk Gottes wird sich aus Juden und Heiden zusammensetzen, dessen
Grund Jesus selber ist.
Und dann folgt die Reaktion der Adressaten: Sie merken, dass
er sie meint und anstatt verstehend auf das zu hören, was er sagt und ihre
Haltung und ihr Verhalten zu ändern, reagieren sie mit Verstockung. Sie wollen
nicht an ihren Besitzständen und Lebenseinstellungen rütteln lassen, sondern
planen stattdessen, seine Verhaftung, ja seinen Tod.
Sie wagen es nicht, ihren Plan schon auszuführen, weil alle
Jesus für einen Propheten hielten. Tatsächlich war Jesus ein Prophet. Das
vergessen wir zu häufig in der Kirche und nehmen deshalb seine prophetischen
Worte nichts ernst genug. Seine Botschaft meint aber auch uns!
Donnerstag der 2. Fastenwoche Lk 16, 19-31
Das Evangelium vom armen Lazarus und dem reichen Prasser würde sich anbieten, um viele Fragen hinsichtlich des zu erwartenden Ewigen Lebens, der Vergeltung unserer Taten und nicht zuletzt der Vorstellung eines Feuers, in dem Verstorbene Qualen leiden können, zu besprechen. Das sind alles wichtige Themen und da müsste auch manches erklärt werden. Das möchte ich aber heute nicht tun. Damit würden wir der eigentlichen Botschaft Jesu aus dem Weg gehen, die aktueller nicht sein könnte.
Wer ist heute der reiche Prasser und wer der arme Lazarus? Wir leben nicht mehr nur in einer privaten, überschaubaren Welt, in der wir jetzt vielleicht Namen nennen könnten. Wir leben in einer globalisierten Welt und tun gut daran, dieses Evangelium ganz konkret und durchaus auch politisch zu verstehen.
Europa macht dicht. Wir ziehen „Obergrenzen“, wir sagen: Es reicht, wir wollen nicht noch mehr Fremde und Bettler. Dabei entscheiden gar nicht wir, wer bei uns vor der Türe liegt. Aber wir werden vom Evangelium her ganz klar und unmissverständlich in die Pflicht genommen, ob es uns nun passt oder nicht.
Der reiche Prasser, will seine Brüder warnen lassen, damit nicht auch sie an den Ort der Qual kommen. Überhören wir die Warnung des Evangeliums nicht! Jesus ist auch Prophet und als Prophet kritisiert er die herrschenden Verhältnisse – auch heute.
Mittwoch der 2.
Fastenwoche Mt 20, 17-28
Das heutige Evangelium greift noch einmal den Gedanken von
gestern auf: Es geht um das Dienen. Die gestrige Stelle sprach darüber im
Kontext der Weherufe über die Pharisäer und Schriftgelehrten. Heute finden wir
uns im engsten Jüngerkreis.
Auf dem Weg nach Jerusalem spricht Jesus über das zu
erwartende Schicksal des Menschensohnes. (Hier scheint mir der Titel übrigens
eher im Sinne des Ezechielbuches gemeint zu sein, in dem der Prophet selbst von
Gott als Menschensohn angesprochen wird; dann wäre hier ein Hinweis auf das
Prophetenschicksal Jesu zu sehen.)
Darauf folgt diese ganz irritierende Szene, in der die
Mutter der Zebedäussöhne für ihre Söhne um die Plätze rechts und links von
Jesus bittet, wenn er in sein Reich kommt. Man stelle sich die Situation mal
vor: Jesus spricht gerade von seinem zu erwartenden Kreuzestod und diese Mutter
wirft sich mit ihrer Bitte vor Jesus nieder. Einmal etwas flapsig ausgedrückt:
Jesus muss sich doch wirklich an den Kopf gefasst haben! Je nachdem, wie man
seine Antwort dann betont, bringt sie auch so etwas zum Ausdruck.
In V 23 finden wir eine der Stellen, in denen sich Jesus
klar dem Vater unterordnet. Nicht er vergibt die Plätze im Himmelreich, sondern
der Vater. Jesus ist durch und durch Diener, sowohl in seiner Beziehung zum
Vater als auch – und darauf zielen wir jetzt ab - in seiner Beziehung zu den Menschen.
Jesus nutzt die unverständige Bitte der Mutter, um den
Jüngern eine Lehre zu erteilen. Die Jünger gehen ja wirklich bei Jesus in die
Schule. Bei euch soll es nicht so sein,
sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei
euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein. Und Jesus verweist auf
seine eigene Sendung: Er, der Menschensohn, ist gekommen, um zu dienen und sein
Leben hinzugeben für viele.
Hier kommen wir an das zentrale christologische Prinzip der
„Proexistenz“. Jesus, der Christus, lebt sein Leben ganz für andere und ruft
seine Jünger dazu auf, es ihm gleich zu tun. Keine Sorge: Wir werden uns nicht
verlieren, weil der Vater uns ein überfließendes Maß in den Schoß schüttet …
Dienstag der 2.
Fastenwoche Mt 23, 1-1
Der letzte Vers des heutigen Evangeliums ist ein zentraler
Vers der Regel Benedikts: Denn wer sich
selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht
werden. Hier gilt auch wieder, was ich gestern gesagt habe. Das Passiv in
der Ausdrucksweise zeigt an, dass Gott derjenige ist, der erhöht und
erniedrigt.
Bei diesem Evangelium besteht die Gefahr, dass sich die
meisten von uns aufatmend zurücklehnen und denken: Prima, das betrifft uns
nicht, denn hier schimpft Jesus über die Schriftgelehrten und Pharisäer und
wenn wir es in unsere kirchliche Situation übertragen, über die Priester und
Bischöfe. Ganz falsch ist das natürlich auch nicht. Tatsächlich hat Jesus ja
nicht mit Kritik an den jüdischen Autoritäten gespart - übrigens wie die
Propheten vor ihm – und Matthäus überträgt die Kritik Jesu tatsächlich auch in
die Zeit der frühen Kirche, in der sich solche Verhaltensweisen auch schon
wieder zeigten.
Richten wir unseren Blick auf das, was uns alle betrifft. Ihr alle aber seid Brüder (und Schwestern),
denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel, nur einer ist euer Lehrer,
Christus. Und dann kommt der jesuanische Programmsatz: Der Größte von euch soll euer Diener sein. Das hat er uns selbst
vorgelebt, nicht nur bei der Fußwaschung.
Benedikt versteht das Kloster als eine „Schule für den
Dienst des Herrn“. Im Kloster – und ein Kloster ist nichts anderes als eine
Kirche im Kleinen – geht es darum, sich gegenseitig zu dienen in allen
möglichen Belangen. Die „Oberen“ dienen den Brüdern und Schwestern, die Jungen
den Alten, die Älteren den Jüngeren. Das will geübt sein und klappt wirklich
nicht immer und nicht auf Anhieb. Wir sind eben in einer Schule und dürfen die
jesuanische Lebensweise einüben. Das ist doch auch ein gutes Programm für
unsere Gemeinden, oder?
Montag der 2.
Fastenwoche Lk 6, 36-38
Das heutige Evangelium stammt aus der sogenannten „Feldrede“
des Lukas (Mt konzipiert die große Rede Jesu auf dem Berg, wo er nur zu seinen
Jüngern spricht. Lk lässt Jesus diese Rede in der Ebene inmitten der
Volksscharen sprechen). Wenn wir am Samstag nicht das Fest des Apostels
Matthias mit einem eigenen Evangelium gefeiert hätten, wäre das heute die
Fortsetzung des Evangeliums vom Samstag. Dort hieß es zum Schluss: … ihr werdet Söhne des Höchsten genannt
werden … Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist! In diesem
Zusammenhang stehen also die heutigen Worte Jesu. Er tritt hier nicht als
Gesetzgeber, sondern als Weisheitslehrer auf. Jesus will uns lehren, wie wir
leben sollen, um in einem tiefen und umfassenden Sinne ein gutes Leben zu führen.
Die Art, wie Lukas die Lehre Jesu hier wiedergibt, hat die
Form von: Tut dies, dann wird euch das getan. Die zweite Satzhälfte steht im
Passiv. Damit ist in der Sprache der Heiligen Schrift ausgedrückt, dass Gott
derjenige ist, der uns nicht richtet, nicht verurteilt, die Schulden erlässt
usw. Nicht die Menschen, denen wir etwas tun, werden uns entsprechend nett
behandeln, sondern Gott wird es uns vergelten. Wenn wir barmherzig sind, wird
auch unser Vater zu uns barmherzig sein.
In der Übersetzung von Martin Luther kommt das in V 38
besonders deutlich heraus. Er übersetzte: Gebt,
so wird euch gegeben werden. Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und
überfließendes Maß wird man (also Gott) in euren Schoß geben. Wir können
uns das jetzt einmal ganz menschlich vorstellen, wie Gott ein Maß nimmt und
das, was er einfüllt noch feste schüttelt und dann drückt und noch bis über den
Rand auffüllt und uns dann mit großer Freude in den Schoß schüttet. Gott liebt
es, in überreichem Maß zu geben – machen wir es wie Gott!
Zweiter Sonntag der Fastenzeit Mk 9,
2-10
Die Verklärung Jesu auf dem Berg gehört zu den
geheimnisvollsten Erzählungen in den Evangelien. Was ist dort auf dem Berg
geschehen und welche Bedeutung hat es? Der Schlüssel zum Verständnis dieses
Ereignisses liegt im Alten Testament
.Zunächst steigt Jesus mit seinen drei ausgewählten Jüngern,
die er später auch mit in den Garten Getsemani nimmt, auf einen hohen Berg. Die
Erwähnung des hohen Berges erinnert sofort an den Berg Sinai, auf den Mose
stieg und auf dem er Gott begegnete, von ihm das Gesetz des Bundes empfing. Der
zweite wichtige Berg ist der Zion, der Tempelberg, auf dem Gott im Allerheiligsten
gegenwärtig ist. An beide Berge wird hier angespielt.
Dann sehen die Jünger etwas, das sie zuvor nie gesehen
haben. Die Erscheinung Jesu verwandelt sich vor ihren Augen. Das strahlende
Weiß seiner Kleider weist auf seine Göttlichkeit hin, die unter normalen
Umständen verborgen bleibt – und wie Jesus später eindringlich sagt, auch
verborgen bleiben soll (V 9).
Dann erscheinen Elija und Mose und unterhalten sich mit
Jesus. Elija steht für die Propheten des Alten Bundes und Mose für die Tora,
die fünf Bücher Mose, in denen alles Grundlegende über Gott und den Menschen,
über das Volk Israel und Gottes Bund mit ihm ausgesagt wird. Wenn hier steht,
dass sie sich mit Jesus unterhalten, dann soll das die Beziehung zwischen dem
in Jesus geschlossenen Neuen Bund und dem Alten Bund anzeigen – einer nicht
ohne den anderen und beide stehen in engster Beziehung zueinander. Diese
Beziehung wird übrigens an jedem Sonntag durch die Leseordnung zum Ausdruck
gebracht, in der sich die erste alttestamentliche Lesung auf das Evangelium
bezieht. So auch an diesem Sonntag mit dem Bericht über das Opfer Abrahams.
(Ein Hinweis: Die Verknüpfung liegt heute im letzten Halbsatz der ersten
Lesung!)
Petrus will drei Hütten bauen. Diese Hütten könnten auf das
Laubhüttenfest hinweisen, ein Freudenfest der Juden, das sowohl ein Erntefest
ist, als auch an die Befreiung Israels aus Ägypten erinnert. Es geht also nicht
nur darum, dass Petrus diesen schönen Augenblick festhalten will.
Dann kommt die Wolke, ein Symbol für die Epiphanie, die
Erscheinung Gotts selbst. Diese Wolke erscheint auf dem Sinai als bedrohliches
Begleitgeschehen bei der Offenbarung vor Mose und als tröstendes Segenszeichen
bei der Wüstenwanderung nach dem Auszug aus Ägypten. Hier weist sie daraufhin,
dass es sich bei diesem Ereignis um eine Epiphanie Gottes, um die Erscheinung
seiner erschreckenden Herrlichkeit handelt.
Die Stimme aus der Wolke gibt Jesus als den geliebten Sohn
Gottes bekannt und befiehlt: Auf ihn
sollt ihr hören. Als „geliebter Sohn“ ist weder Mose noch einer der
Propheten, noch einer der Könige Israels bezeichnet worden. Diese Bezeichnung
ist einzigartig. Hier sehen wir auch einen inhaltlichen Bogen zum Beginn des
Markusevangeliums. Dort heißt es: Anfang
des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes (Mk 1,1). In der
Verklärung Jesu wird deutlich, dass er wirklich dieser Sohn Gottes ist. Diese
Einzigkeit Jesu mag auch darin zum Ausdruck kommen, dass die Jünger nach dem
Vernehmen der Stimme Gottes nur noch Jesus sehen.
In den letzten Versen ist dann wieder vom Menschensohn, der
endzeitlichen Gestalt aus dem Buch Daniel (Dan 7,13f.) die Reden und von der
Auferstehung. Das kann sicher als Hinweis darauf verstanden werden, dass Jesus
sich nach seiner Auferstehung als der Menschensohn und der geliebte Sohn Gottes
zu erkennen geben wird.
Jetzt wissen wir immer noch nicht genau, was sich ereignet
hat, aber wir kennen die Bedeutung: Jesus, der am Kreuz sterben wird, ist der
geliebte Sohn Gottes. Daran brauchen die Jünger und wir auch angesichts von
Leiden und Tod nicht mehr zu zweifeln.
Fest des Apostels
Matthias Joh 15, 9-17
Heute wird die Fastenzeit noch einmal durch das Fest des
Apostels Matthias unterbrochen. So haben wir es heute mit einem Abschnitt aus
dem Johannesevangelium zu tun. Johannes schreibt so dicht, dass ich mich nur
auf einen Aspekt beschränken kann.
Hier spricht Jesus in den sogenannten „Abschiedsreden“ zu
seinen Jüngern, also zu den Menschen, die er in seine Nachfolge und in seinen
engsten Kreis berufen hat. Zu ihnen sagt er: „Ihr seid meine Freunde, wenn ihr
tut, was ich euch auftrage.“ Die Freundschaft mit Jesus ist also nicht
bedingungslos. Wirklich Freund ist ihm, wer das tut, was er ihm aufträgt. Jesu
Freundschaftsangebot bleibt auch bestehen, wenn wir das nicht erfüllen, aber
die Freundschaft kommt dann noch nicht zustande. Freundschaft beruht anders als
Liebe auf Gegenseitigkeit.
Sein Gebot steht in V 12: „Liebt einander, so wie ich euch
geliebt habe“, und er wiederholt es noch einmal in V 17: „Dies trage ich euch
auf: Liebt einander!“ Und dann steht da noch der johanneische Spitzensatz: „Es
gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“
Das hat Jesus für seine Jünger und für uns getan. Unsere Nähe zu Jesus zeigt
sich daran, inwieweit wir schon fähig sind, sein Gebot in unserem Leben
Wirklichkeit werden zu lassen. Dabei ist das nicht so sehr eine Leistung, die
wir erbringen, sondern mehr ein Handeln Gottes an uns, das wir zulassen.
Hier stellt sich für uns noch einmal die Frage, ob wir Jesu
Freund / Freundin sein wollen. Ist mir alles an seiner Freundschaft gelegen
oder bin ich da noch unentschieden?
Jesu Freundschaft hat eine Bedingung, seine Liebe nicht. Wie
ist das mit mir? Möchte ich überhaupt so umfassend lieben, wie Jesus es getan
hat? Gibt es in meinem Herzen eine Sehnsucht, das zu können?
Freitag der 1.
Fastenwoche Mt 5, 20-26
„Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist …“. Das
„größer“ ist eine sehr schwache Übersetzung für das griechische Wort. Da klingt
Überfluss, Üppigkeit, ja Maßlosigkeit mit. Unsere Gerechtigkeit soll also
grenzenlos sein. Sie soll sich nicht im Rahmen von „Wohlanständigkeit“ bewegen,
sondern geradezu „unvernünftig“ sein. Wenn wir das Wort „Gerechtigkeit“ hören,
denken wir vielleicht an so etwas wie „allen das Gleiche“ oder „jedem, was er
verdient“. Genau das meint Jesus aber nicht. Unsere Gerechtigkeit muss die
Gerechtigkeit Gottes vor Augen haben. Erinnern wir uns noch mal an das
Gleichnis vom barmherzigen Vater (Lk 15). Das ist Gottes Gerechtigkeit.
Wenn wir uns in unserem Handeln danach richten, steht uns
der Zugang zum Himmelreich offen.
Schauen wir uns die weiteren Worte Jesu an, müssen wir
ehrlicherweise sagen: Wenn es sich so verhält mit dem Gericht, dann habe ich
keine Chance ihm zu entrinnen. Mir scheint, dass Jesus uns genau das vor Augen
führen will. Wenn wir anderen gegenüber nicht „maßlose Gerechtigkeit“ walten
lassen, was bedeutet, dass wir alles Urteilen alleine Gott überlassen, dann
haben wir selbst keine Hoffnung darauf, dem Gericht zu entgehen.
In anderer Sprache, sagt Jesus dasselbe noch einmal im
Gleichnis vom unbarmherzigen Gläubiger (Mt 18,23-35), der erst die eigene
riesige Schuld erlassen bekommt und dann seinen Mitknecht wegen ein paar
Pfennig ins Gefängnis werfen lässt. Die „grenzenlose Gerechtigkeit“, die Jesus
von uns fordert liegt in der Erkenntnis unserer eigenen, verborgenen Sünde
(z.B. zürnen) und in der
Vergebungsbereitschaft gegenüber allen offenen und verborgenen Sünden unserer
Brüder und Schwestern.
Fest Kathedra Petri
Mt 16, 13-19
Heute feiern wir das Fest „Kathedra Petri“, wodurch die
laufende Lesung der Fastenzeit unterbrochen wird. Dennoch schließt sich das
heutige Evangelium gut an das gestrige an.
Jesus fragt die Jünger: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“
Das ist die Frage, die er auch uns stellt. Die Antwort des Petrus lautet: „Du
bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes.“
Dieses Bekenntnis des Petrus ist so gewaltig und tief, dass
wir es in seinen Einzelteilen kauen wollen bis es uns seinen Reichtum
preisgibt.
„Du bist der Messias.“ Der Gesalbte Gottes zu sein, trifft
an erster Stelle für die ersten Könige Israels zu. Saul war von Gott gesalbt,
David, Salomo und später noch einige andere. Die Könige Israels waren
diejenigen, die im Volk Gottes das Recht zur Geltung bringen sollten. Sie waren
die Beauftragten Jahwehs, die dafür Sorge tragen sollten, dass der Bund, den
Gott am Sinai mit seinem Volk geschlossen hatte, auch gehalten wurde. Zur Zeit
Jesu erwartete das gläubige Volk einen neuen König, der genau dies wieder tun
würde. Wenn Petrus hier bekennt: „Du bist der Gesalbte“, dann steht diese
Hoffnung dahinter.
Der „Sohn des lebendigen Gottes“, drückt mit anderen Worten
Ähnliches aus. In Ps 2 heißt es: „Ich selber habe meinen König eingesetzt ….
Mein Sohn bist du. Heute habe ich dich gezeugt.“ Jesus ist dieser königliche
Sohn Gottes und Gott ist lebendig, er ist kein toter und damit gänzlich
wirkungsloser Götze.
Ist Jesus, der der in meinem Leben für Recht und
Gerechtigkeit sorgt? Ist er der Sohn dessen, der in meinem Leben wirkt? Ist
Jesus für mich der Gesalbte Gottes und sein bevollmächtigter Sohn? Kann ich
Jesus als meinen König bekennen?
Mittwoch der 1. Fastenwoche Lk 11, 29-32
Wenn ich dieses Evangelium lese, muss ich mich bewusst entscheiden, die Worte mal so an mich heranzulassen, wie sie da stehen. „Diese Generation ist böse.“ Wörtlich: Dieses Geschlecht ist ein böses Geschlecht. Was Jesus meint, wenn er „böse“ sagt, erschließt sich aus den folgenden Worten.
Diese Generation fordert ein Zeichen, mit dem Jesus sich legitimieren soll. Er soll etwas wirken, was ihn eindeutig als von Gott bevollmächtigt ausweist. Wir wissen aus den Evangelien, dass selbst die Jünger die Taten Jesu nicht als Zeichen verstanden haben (z.B. Mk 6,52). Sie haben gesehen, aber nicht erkannt. Und das ist noch viel extremer bei den Gegnern Jesu. Sie sehen mit den Augen des Leibes, aber die Botschaft dringt nicht bis ins Herz, den Ort des Verstehens, vor.
Anders war es bei den Menschen in Ninive, die sich auf die Botschaft des Jona hin bekehrten. Der König befahl allen Untertanen: „Sie sollen laut zu Gott rufen, und jeder soll umkehren und sich von seinen bösen Taten abwenden und von dem Unrecht, das an seinen Händen klebt.“ (Jona 3,8) Die Königin von Saba bekennt angesichts der Weisheit und Pracht Salomos: „Gepriesen sei Jahwe, dein Gott, der an dir Gefallen fand und dich auf den Thron Israels setzte.“ (1 Kön 10,9)
Das Zeichen, das den Menschen dieser Generation gegeben wird, ist die Auferstehung des Menschensohnes, der drei Tage im Grab gelegen hat, wie Jona im Bauch des Fisches (Jona 2,1) und auferstanden ist. Wird unsere Generation dieses Zeichen verstehen und umkehren zu Gott?
Dienstag der 1.
Fastenwoche Mt 6, 7-15
Diese Einführung ins Vaterunser
irritiert mich und ärgert mich. „Plappert nicht wie die Heiden“ – wozu spricht
Jesus hier so negativ von „den Heiden“? Ich möchte hier nicht die Frage klären,
ob es sich um ein vermeintlich echtes Jesuswort handelt oder um eine Zufügung
des Evangelisten. Es steht jetzt da und es hat uns etwas zu sagen.
Mag sein, dass Jesus Menschen vor Augen hatte, die Gott mit
einem Wortschwall überschüttet haben. Da ist es erstmal egal, ob es welche aus
den Völkern (also Heiden) oder Juden waren, oder ob jetzt wir Christen gemeint
sind. Jesus benutzt diese Negativfolie, um uns die wenigen Worte des Vaterunser zu lehren.
Im Kloster beten wir das Vaterunser
mehrmals am Tag, da ist die Gefahr groß, es zu plappern. Mir hilft es, immer
mal wieder einzelne Worte im Herzen zu bewegen und über sie nachzusinnen wie
Maria (Lk 2,19).
Vater unser –
Gott ist unser aller (mütterlicher) Vater, es gibt keinen Menschen, auf den das
nicht zutrifft. So sind auch alle Menschen meine Brüder und Schwestern –
ausnahmslos. Gott ist unser Vater, weil er uns ins Leben gerufen hat (Gott
sprach und ich wurde) und ich lebe in diesem Augenblick, weil ER mein Vater ist
und bleibt.
Im Gleichnis vom Barmherzigen Vater (Lk 15,11-31) ist sehr
eindrucksvoll beschrieben, wie wir uns die Vaterschaft Gottes vorzustellen
haben. Wir dürfen uns Gott in dieser menschlichen Weise vorstellen und
gleichzeitig ist er der Vater im Himmel. Er ist mehr als ein irdischer Vater
und mein Lebensatem kommt von meinem himmlischen Vater.
Was geschieht, wenn ich die Worte „Vater unser im Himmel“
beim Beten mit meinem Atem verbinde? Du, Vater, schenkst mir meinen Lebensatem.
Montag der 1.
Fastenwoche Mt 25, 31-46
Das heutige Evangelium ist der Schluss der sogenannten
„Endzeitrede“ bei Matthäus. Danach folgt der Beschluss des Hohen Rates, Jesus
zu töten und die Dinge nehmen ihren Lauf. Ein Wort, das als letzte große Rede
Jesu überliefert wird, hat also besonderes Gewicht, es ist eine Art
Vermächtnis.
Jesus spricht hier vom Menschensohn, der kommen wird und
bezieht sich damit auf eine Stelle beim Propheten Daniel (Dan 7,13f.). Wenn
dieser Menschensohn kommt, wird Gericht gehalten. Wir kennen alle diese Stelle,
von den Schafen und den Böcken, die getrennt werden. Es ist auch vom Hirt die
Rede und vom König. Beides sind Titel, die im Alten Bund auch Gott selbst
zukommen (z.B.Hirt: Ps 23; König: Ps 47). Die Aufgabe des Königs war es, Recht
zu sprechen und ganz besonders, den Schwachen zu ihrem Recht zu verhelfen. Der
König sollte für die Witwen und Waisen sorgen und sich mit seiner Autorität für
sie einsetzen. Der Hirt soll sich um seine Schafe kümmern und für sie sorgen,
was sehr eindrücklich in Ez 34 beschrieben wird. Dort heißt es dann auch:
„Jetzt will ich meine Schafe selber suchen und mich selber um sie kümmern.“
In der Gerichtsrede Jesu werden die Schafe dafür belohnt, dass sie sich um die Schwachen kümmern, die Armen, die Obdachlosen, die Hungrigen usw. Sie haben einen königlichen Dienst an ihnen getan und deshalb dürfen sie auch das Reich in Besitz nehmen, das für sie bestimmt ist. Die, die diesen Hirtendienst verweigert haben, können nicht in das Reich des Königs aufgenommen werden.
In der Gerichtsrede Jesu werden die Schafe dafür belohnt, dass sie sich um die Schwachen kümmern, die Armen, die Obdachlosen, die Hungrigen usw. Sie haben einen königlichen Dienst an ihnen getan und deshalb dürfen sie auch das Reich in Besitz nehmen, das für sie bestimmt ist. Die, die diesen Hirtendienst verweigert haben, können nicht in das Reich des Königs aufgenommen werden.
Der König sagt: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder
getan habt, das habt ihr mir getan“. Noch näher kann Gott uns nicht kommen.
Erster Fastensonntag, Mk 1,12-15
Diese vier Verse haben es in sich. Der Geist – zu ergänzen ist: Gottes – treibt Jesus in die Wüste, wo er vom Satan in Versuchung geführt wird. Wir werden an Hiob erinnert: Gott erlaubt dem Satan, Hiob in Versuchung zu führen, d.h. ihn so zu schlagen, dass er versucht wird, sich von Gott abzuwenden.
Satan führt Jesus also in Versuchung. Markus berichtet uns im Unterschied zu Lk und Mt nicht, wie das genau geschieht. Aber was tut Jesus? Er lebt bei den wilden Tieren und die Engel dienen ihm. Das meint nicht etwa, dass Jesus von den wilden Tieren bedroht wurde, sondern es erinnert an die große Vision des Jesaja vom Friedensreich unter der Herrschaft des Nachkommens Davids (Jes 11,1-9) „Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Junge leitet sie.“
Und der Himmel steht über Jesus offen, wie schon bei der Taufe, so dass die Engel ihm dienen. Im Vater unser lehrt Jesus uns beten: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen“. Jesus weiß, dass wir der Versuchung nicht so gewachsen sind wie er und lässt uns Gott um die Erlösung von dem Bösen bitten, damit auch wir in Frieden leben können. Wir sind einem Kampf mit Satan nicht gewachsen – ohne Hilfe noch nicht einmal dem Kampf mit unseren eigenen lebensfeindlichen Gedanken.
Und dann kommt die Kurzformel der Verkündigung Jesu: „Kehrt um, und glaubt an das Evangelium“. Hört doch endlich auf, eure eigenen Wege zu gehen! Kehrt euch zu mir und glaubt an das, was ich euch über Gott sage in Worten und Werken! Seht doch endlich ein, dass ihr krank seid und einen Arzt braucht!
Samstag nach Aschermittwoch Lk 5, 27-32
„Ich bin gekommen, um die Sünder zur Umkehr zu rufen, nicht die Gerechten.“ Das leuchtet zunächst ein und passt zu dem, was wir von Jesus wissen. Aber wie ruft er die Sünder zur Umkehr? Dort steht nichts davon, dass er dem Levi ins Gewissen geredet hat. Selbst wenn Markus hier einen längeren Vorgang in ein kurzes Wort fasst, um die Autorität Jesu zu unterstreichen, ruft dieser ihn „nur“ in seine Nachfolge. Und dann findet dieses Festmahl statt.
So wird es auch vom Berufskollegen des Levi, von Zachäus berichtet: „Zachäus, komm schnell herunter! Denn ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein.“ (Lk 19,5) Und Zachäus kehrt um. Von Zachäus wird zumindest gesagt, dass er Jesus sehen wollte und deshalb auf einen Baum stieg. Levi sitzt einfach am Zoll. Als Jesus ihn ruft, steht er auf und geht mit ihm.
Wenn wir darauf warten, dass Jesus uns mit der Nase auf unsere Sünden stößt, können wir noch lange warten. Stehen wir aber auf, wenn er uns in die Nachfolge ruft und feiern wir ein Fest mit ihm?
Freitag nach Aschermittwoch Mt 9, 14-15
Es scheint hier um die Frage nach dem Fasten zu gehen und das passt natürlich in die sogenannte „Fastenzeit“. Aber werden wir damit diesem kleinen Abschnitt aus dem Matthäusevangelium wirklich gerecht?
Das Signalwort dieses Abschnitts ist das Wort „Bräutigam“. Jesus ist der Bräutigam, der bei seinem Volk ist. Bei den Propheten des Alten Bundes wird oft davon gesprochen, dass Gott sein Volk zur Braut nimmt wie ein Bräutigam (z.B. Hos 2,21f.; Jes 62,5). Wenn Jesus hier sagt, dass die Hochzeitsgäste nicht trauern (also fasten) können, solange der Bräutigam bei ihnen ist, dann hören seine Zuhörer diese Anspielung sofort.
Johannes der Täufer, von dessen Jüngern hier die Rede ist, hat das Volk auf die Ankunft des Bräutigams vorbereitet (das steckt nach Gregor der Große hinter der Sache mit dem Lösen der Sandalen), jetzt ist er da. Das ist die zentrale Aussage dieser Stelle. Das Fasten ist zweitrangig. Es geht um die Frage, wer Jesus ist. Ist Jesus für mich der, in dem Gott mir mit seinem Werben und Lieben so nahe kommt wie ein Bräutigam? Allgemeiner gesagt: Erkenne ich in Jesus das liebender Werben Gottes um mich?
Habe ich mich gestern zum JüngerInnenkreis gezählt? Dann wird Jesus heute sofort ernst und wir blicken mit ihm nach vorn auf den Karfreitag. Will ich unter diesen Umständen immer noch zu Jesu JüngerInnen gehören? Mein Kreuz auf mich nehmen und ihm nachfolgen - was heißt das konkret?
Wenn ich ein Leben in der innigen Gemeinschaft mit Gott leben will – denn das heißt Jüngerschaft - dann muss ich mit Widerständen rechnen, in meinem eigenen Inneren und von außen. Schauen wir erst mal auf das eigenen Innere. Was steht der innigen Gemeinschaft mit Gott in meinem eigenen Herzen entgegen? Wo will ich mich gegen seine Wünsche absichern? Wo mich abgrenzen? Wo lebe ich in Konkurrenz zu anderen? Wo suche ich mehr das eigenen Ansehen als das der anderen? Mich selbst verleugnen und Jesus nachfolgen heißt, mich selbst überwinden – und das kann ein echter Kampf sein. Es kann auch heißen, vorerst auf einen Vorteil verzichten, vielleicht sogar Nachteil in Kauf zu nehmen. Mein Leben um Jesu willen verlieren – das ist immer nur vorläufig, denn es bleibt nicht beim Karfreitag – es kommt der Ostermorgen.
Aschermittwoch: Mt 6, 1-6.16-18
Diese Worte spricht Jesus zu seinen Jüngern im Rahmen der Bergpredigt. Es ist also eine Belehrung über die rechte Weise, in der Nachfolge Jesu zu leben. Will ich das überhaupt? Zähle ich mich zum engeren JüngerInnenkreis? Dann gelten diese Worte mir.
Wenn ich meine Gerechtigkeit nicht zur Schau stellen soll, stellt sich für mich erst mal die Frage, was ich denn bei mir überhaupt für Gerechtigkeit halte. Jesus meint damit ein Tun, das den Geboten Gottes entspricht, die uns zum Leben verhelfen wollen. Und er wird konkret: Almosen geben, beten – in der heutigen Lesung wird das Vater unser ausgelassen (V 9-13) – fasten.
Ich sehe diese Worte Jesu im Kontext seiner Reich-Gottes-Verkündigung. Wenn wir am Kommen des Reiches Gottes mitwirken wollen, dann geht es um ein verborgenes Tun, das der Vater sieht. Das Reich Gottes ist etwas, das im Verborgenen wächst. Der Lohn, den wir vom Vater erwarten dürfen, ist die Freude am Kommen des Reiches Gottes. Auch das ist keine Freude, die wir vor den Menschen zur Schau stellen, sondern eine tiefe Freude, die unser Leben erhellt.